Nach AfD-Mandat zurück in die sächsische Justiz: Wird Jens Maier wir­k­lich wieder Richter?, lto.de v. 20.01.2022

von Annelie Kaufmann

Seit bekannt ist, dass der ehemalige AfD-Abgeordnete Jens Maier wieder Richter werden will, wird darüber diskutiert, ob das Justizministerium ihn stoppen kann. Wenn nicht – dann vielleicht der Landtag oder sein künftiger Dienstvorgesetzter?

Kann das sein? Da sitzt jemand vier Jahre lang für die AfD im Bundestag, sympathisiert mit dem völkischen Flügel um Björn Höcke, wird vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und soll dann, nachdem er sein Mandat verloren hat, wieder Richter werden? 

Wenn Maier sich heute auf eine Richterstelle bewerben würde – er hätte keine Chance. Aber: Maier bewirbt sich nicht, er ist schon 1992 in die sächsische Justiz eingetreten. Und eine Entfernung aus dem Dienst ist ungleich schwieriger. 

Maier wird demnächst sechzig und will zurück in die gesicherten Verhältnisse des öffentlichen Dienstes, zurück auf einen Richterposten. Einen entsprechenden Antrag hat er beim sächsischen Justizministerium gestellt, seitdem erhält er wieder Bezüge; dass er freiwillig verzichtet, gilt als nicht wahrscheinlich. In der sächsischen Justiz führt das zu Kopfschütteln, Unmut, Wut – und Ohnmacht. Kann man jemanden wie Maier wirklich nicht verhindern?

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Kann man Maier sein Verhalten als Abgeordneter vorwerfen?

Sollte man sich dort zu einem Disziplinarverfahren entschließen, wäre es nicht das erste. Bereits 2017 – vor seiner Zeit als Abgeordneter – erging eine Disziplinarverfügung gegen Maier. Dabei ging es um zwei Facebook-Einträge und um eine Rede, die Maier bei einer Veranstaltung im Ballhaus Watzke in Dresden gehalten hatte, er warnte damals vor der „Herstellung von Mischvölkern“ und wollte den deutschen „Schuldkult“ für „beendet“ erklären. Der Präsident des Landgerichts (LG) Dresden sprach einen Verweis aus. Das bedeutet allerdings auch, dass die damaligen Äußerungen Maier nicht erneut vorgehalten werden können. Sie sind damit abgegolten, der Verweis wurde mittlerweile aus der Personalakte entfernt. 

Damit stellt sich die Frage, ob man Maier Äußerungen und Auftreten während seiner Zeit als Abgeordneter in einem Disziplinarverfahren vorhalten kann. Philipp Austermann, Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, geht von einer klaren Gesetzeslage aus: „Äußerungen, die in die Zeit als Abgeordneter fallen, können für etwaige Disziplinarverfahren keine Rolle spielen. Während der Zeit als Abgeordneter gilt das Mäßigungsgebot nicht. Das sieht § 5 Abgeordnetengesetz ausdrücklich so vor und das hat der Gesetzgeber auch 1976 in der Begründung des Gesetzes betont.“ Dort heißt es: „So ruhen besonders die Pflicht zur Unparteilichkeit und die politische Treuepflicht“ sowie die „Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Tätigkeit“. 

Austermann sieht den Gesetzgeber am Zug: „Es wäre sinnvoll, wenn man für Angehörige des öffentlichen Dienstes klarstellen würde, dass sie auch während ihrer Zeit als Abgeordneter zumindest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen müssen. Ansonsten stehen wir vor einem Problem, wenn Abgeordnete aus dem Bundestag in den öffentlichen Dienst zurückkehren möchten, aber gleichzeitig Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen.“

Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und ständiger Beisitzer des Dienstgerichts für Richter beim LG Düsseldorf, hält die Rechtslage für weniger eindeutig: „Auch wenn § 5 Abgeordnetengesetz grundsätzlich vorsieht, dass die Dienstpflichten während der Zeit als Abgeordneter ruhen, kann man argumentieren, dass damit nicht alle Pflichten vollständig ruhen“, so Hotstegs. „Dafür spricht etwa, dass auch von beurlaubten Beamten verlangt wird, sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu betätigen – dann kann man erst recht von Richtern, die in den Staatsdienst zurückkehren, eine gewisse Verfassungstreue erwarten.“

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Standpunkt: Auf der Suche nach Rechts-Schutz, NJW-aktuell 4/2022, S. 15

Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Amtsträgerinnen und Amtsträger repräsentieren den Staat, sie verwalten ihn, sie sprechen Recht für ihn und sie gestalten ihn. Gleichwohl ist ihr individuelles Verhältnis zum Staat gelegentlich ambivalent. Seitdem aktuelle Fälle nicht nur wünschenswert kritische und mitdenkende Geister, sondern feindlich, auch kämpferisch auftretende Personen aufgezeigt haben, ist der Wunsch nach Schutz vor Verfassungsfeinden größer geworden. Eine Regelanfrage bei der Einstellung wäre gleichwohl nur eine Momentaufnahme, keine Lösung.

Sowohl das Beamten- wie auch das Richterdienstverhältnis machen seit jeher von Verfassungs und Gesetzes wegen zur Voraussetzung einer Ernennung, dass der oder die Kandidatin „jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ (§ 7 BeamtStG, § 9 DRiG) eintritt. Anders gelagert sind die Anforderungen des § 7 Nr. 6 BRAO, an die sich auch etwa § 8 III 2 Nr. 3 SächsJAG für den juristischen Vorbereitungsdienst anlehnt. Danach sind die Zulassung zur Anwaltschaft oder zum Vorbereitungsdienst zu versagen „wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft“.

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Der vollständige Beitrag ist im Heft NJW 4/2022 erschienen.