Sonntags Ruhe?, Schuhkurier 38, S. 16ff.

Rechtsanwalt Robert Hotstegs

Die Debatte um Sonntagsöffnungen ebbt nicht ab. Der Handel fordert mehr Spielraum, Gewerkschaften und Kirchen blocken ab. schuhkurier fasst die aktuelle Lage zusammen.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) bleibt hartnäckig. Vehement setzt sich die Lobbyorganisation des Einzelhandels für eine Flexibilisierung der Regelung von Sonntagsöffnungen ein. So veröffentlichte der HDE im Vorfeld der Bundestagswahl einen 10-Punkte-Plan, in dem die Politik aufgefordert wurde, die Voraussetzungen für mehr Rechtssicherheit für gelegentliche Sonntagsöffnungen im Einzelhandel zu schaffen. Es brauche eine Enttabuisierung des Themas, Einkaufen sei genauso Teil der Freizeitgestaltung wie der Restaurant- oder Museumsbesuch, so die Argumentation des Verbands. Kurzfristig sollten die Händler zum Ausgleich für die langen Lockdowns, in denen die Ladentüren geschlossen waren, für den Rest des Jahres auch sonntags öffnen dürfen. „In vielen anderen Wirtschaftsbereichen ist eine Sonntagsöffnung vollkommen selbstverständlich. In Restaurants und Gaststätten gehört es zum Alltag, dass die Türen auch am Sonntag weit geöffnet sind“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Genauso sei es bei Theatern, Kinos oder Museen. Und auch an den Fließbändern vieler Fabriken werde ganz selbstverständlich sonntags gearbeitet. „Nur beim Einzelhandel muss sonntags im Regelfall alles dicht sein. Das ist längst nicht mehr zeitgemäß. Einkaufen dient heutzutage nicht mehr nur der Versorgung, sondern Bummeln und Shopping ist ein Freizeitevent – genauso wie der Besuch von Gaststätten oder Kultureinrichtungen“, so Genth weiter. […]

Das sagt der Jurist

Auch Robert Hotstegs, auf Verwaltungs- und Verfassungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt aus Düsseldorf, sieht die Forderungen des HDE kritisch. Das beginne bereits damit, dass die Bundesregierung in Berlin der falsche Adressat sei. „Nach der letzten Förderalismusreform ist der Bund nicht mehr zuständig für die Ladenöffnungs- und Ladenschlusszeiten. Die Zuständigkeit liegt bei den Ländern. Hier sind also momentan alle 16 Landesparlamente gefordert, es sei denn man will die Zeit zurückdrehen und die Gesetzgebung wieder dem Bund übertragen.“ Der Jurist geht davon aus, dass Handel, Gewerkschaften und Kirchen immer wieder an einer Grundsatzentscheidung einander fundamental gegenüberstehen werden. „Der Sonntag ist durch die Regelung der Weimarer Reichsverfassung, die immer noch an dieser Stelle fortgilt, grundsätzlich arbeitsfrei. Jeder einzelne verkaufsoffene Sonntag kratzt daher an dem Schutz der Verfassung. Das ist keine Kleinigkeit, wie dies in manchen Stadträten, IHKs oder Interessengemeinschaften des Handels manchmal anklingt“, sagt Robert Hotstegs. Um dennoch die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten zu reduzieren, sei es ratsam, im bisherigen Rechtsrahmen deutlich früher über verkaufsoffene Sonntage zu beraten und zu beschließen.


Das Thema eigne sich nicht für Dringlichkeitsentscheidungen im Stadtrat, vielmehr empfehle es sich, eine Jahresplanung von politischer Seite aus anzustreben. Würden dann verkaufsoffene Sonntage festgesetzt, könne weit vorab eine rechtliche Klärung herbeigeführt werden, ohne dass die Werbung schon angelaufen sei. „Das dürfte auch im Interesse der Händlerinnen und Händler sein. Zwar ist in vielen Verfahren auch die Werbung als Druckmittel eingesetzt worden, nach dem Motto „Es ist nun zu spät zum Absagen“, aber genau dies verfängt eben vor Gericht nicht. Da ist es doch sinnvoller, Streit- und Vorlaufkosten voneinander zu trennen.“ Ein zweiter Aspekt, der laut dem Rechtsanwalt durch die Landesgesetzgeber flankiert werden müsste, sei es, einen Einigungsmechanismus zu installieren. In Nordrhein-Westfalen etwa sei gesetzlich bislang nur vorgeschrieben, dass Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände und Kirchen, die jeweilige IHK und die Handwerkskammer anzuhören sind. Es wäre durchaus denkbar, hier auch ein Einigungsverfahren vorzuschreiben, dass dem Interessenausgleich diene und zugleich auch Streitigkeiten vermeide oder ausschließe, so Hotstegs. Allerdings sagt er auch: „So ärgerlich dies aus Handelssicht ist, aber man ist schlecht beraten, wenn man von einem Rechtsanspruch auf Sonntagsöffnung ausgeht. Die Ausnahmen werden auch in Zukunft eng und limitiert, die Hürden grundsätzlich hoch sein.“ […]

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Posts vom Wahlschein, Selfie aus der Wahlkabine: 7 Ant­worten zur Bun­des­tags­wahl, lto.de v. 18.09.2021

von Tanja Podolski

Am 26. September ist Bundestagswahl. Menschen posten schon jetzt ihre ausgefüllten Briefwahlzettel, der Wahlleiter hat sich gerichtlich mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa über Umfragen gestritten. Was gilt rund um die Wahl rechtlich?

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Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat in dem Streit im Eilverfahren entscheiden: Forsa durfte diese Umfragen veröffentlichen. Allerdings erließ der Hessische Verwaltungsgerichtshof am Freitag eine Zwischenverfügung, die die Entscheidung des VG nun erstmal suspendiert.

Die Meinungen zu dem Thema sind durchaus kritisch: „Ich habe großes Verständnis für den Bundeswahlleiter“, sagt Professor Dr. Matthias Rossi. Zwar sei die Briefwahl in der Norm nicht explizit genannt. „Doch mit Blick auf Sinn und Zweck der Norm, also bei einer telelogischen Interpretation, geht es erkennbar darum, Wähler in ihrer Entscheidungsfreiheit vollständig zu schützen, und das muss die Mitteilung von Briefwahlergebnissen beinhalten. Meiner Meinung nach darf über abgegebene Stimmen nicht vor 18 Uhr am 26. September berichtetet werden.“ Auch, dass die Briefwahlstimmen nicht gesondert ausgewiesen waren, helfe Forsa seiner Meinung nach nicht. „Allein die Mitteilung, dass abgegebene Stimmen in der Umfrage berücksichtigt wurden, kann genug Potential haben, Menschen in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen“, meint Rossi, „weil sie die gefühlte Richtigkeit des Umfrageergebnisses stärkt“.

„Auch die Regelungen zur Abgabe der Stimme sprechen für die Position des Bundeswahlleiters“, sagt Dr. Sebastian Roßner, Rechtsanwalt im Öffentlichen Recht bei LLR Legerlotz Laschet, die Regelungen zur Briefwahl befänden sich im selben Abschnitt wie alle anderen, deren gemeinsames Ziel die Abgabe der Stimme ohne die Kenntnis der Stimmabgabe anderer sei. „Es geht immer um die Freiheit der Wahl“, sagt Rossi, die gelte es zu schützen.

Für Robert Hotstegs, Anwalt in gleichnamiger Kanzlei in Düsseldorf, ist die Entscheidung des VG Wiesbaden hingegen richtig: Die historische Auslegung des § 32 BWahlG gebe das Verbot für Forsa nicht her: „Die Regelungen zur Stimmabgabe beziehen sich – und das gilt auch für die Abgabe der Wahl im Kloster oder Krankenhaus – auf eine Wahlkabine am Wahltag.“ Womöglich müsse der Gesetzgeber nachbessern, jetzt aber sei die Einbeziehung der abgegebenen Briefwahlstimmen nicht verboten, meint der Anwalt. […]

Verbreiten der eigenen Abstimmung in den sozialen Medien

Immer mehr Menschen veröffentlichen Fotos rund um ihre Wahl in den sozialen Medien. „Explizit verboten sind Fotos in der Wahlkabine“, sagt Anwalt Robert Hotstegs. Das ist in der Bundeswahlordnung (BWahlO) geregelt und gilt für das Selfie genauso wie für das Foto des Wahlzettels.

„Dieses Verbot dient dem Grundsatz der geheimen und damit freien Wahl“, sagt Rossi. „Denn wenn es dabei auch häufig um bloße Selbstdarstellung gehe, kann schon von relativ harmlosen Influencer:innen  eine erhebliche Beeinträchtigung des Wahlverhaltens ausgehen, zudem können auch Kriminelle oder Menschen in Machtstrukturen Fotos von der Abstimmung verlangen.“ Um keinerlei Druck auf die Wähler zu erlauben und sie zu schützen, ist das verboten. Man müsse immer wieder betonen: Die Geheimhaltung der Wahlentscheidung dient ihrer Freiheit.

Wer sich über dieses Verbot hinwegsetzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Eine Straftat ist das nicht. Strafbar ist aber die Veröffentlichung der Stimmabgabe eines anderen, § 107c Strafgesetzbuch.

Fraglich ist aber, was zur Briefwahl gilt, denn § 56 BWO bezieht sich nur auf die Wahlkabine. Das Verbot könne über eine teleologische Auslegung noch auf die Briefwahl erstreckt werden, meint Rossi. Eine Ordnungswidrigkeit oder geschweige denn eine Straftat könne die Veröffentlichung der abgegebenen Briefwahlstimme mangels Bestimmtheit der Norm allerdings nicht zur Folge haben. „Ich halte hier aber eine Präzisierung durch den Gesetzgeber für angezeigt“, sagt Rossi. Anwalt Robert Hotstegs sagt es mit der Polizei Mittelfranken auf Twitter: „Rechtlich dürfen Sie das, ob dies auch richtig ist, müssen Sie selbst entscheiden.“ […]

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