OVG zur Mindestkörpergröße für Polizisten in NRW: Ein „zu klein“ gibt es vor­erst nicht, lto.de v. 22.09.2017

Das OVG NRW hat im Streit um die Mindestkörpergröße als Einstellungskriterium für Polizisten entschieden. Es fordert ein Gesetz, das die unterschiedlichen Mindestkörpergrößen für Männer und Frauen bestimmt. Zu Recht, meint Sarah Nußbaum.

Wer in Nordrhein-Westfalen (NRW) Polizist werden wollte, musste bisher eine bestimmte Körpergröße erreichen. Für männliche Bewerber galt dabei eine Mindestkörpergröße von 168 Zentimetern. Das ist rechtswidrig, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster mit Urteil vom Donnerstag (Urt. v. 21.09.2017, Az. 6 A 916/16).

Geklagt hatte ein Mann aus Essen, der mit 166 Zentimetern zunächst von der Polizei als zu klein abgelehnt wurde. Erfolgreich klagte er vor dem Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen (Az. 1 K 3788/14), doch das Land wollte die Entscheidung nicht hinnehmen und ging in die zweite Instanz. Am Donnerstag konnte das Land auch dort nicht überzeugen. Die Richter fordern für die unterschiedlichen Anforderungen, die an die Körpergröße von Männern und Frauen im Auswahlverfahren gestellt wird, eine gesetzliche Grundlage.

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Verfassungswidrigkeit der AfD: Ein Alter­nativ-Deut­sch­land ohne Frei­heiten, lto.de v. 19.09.2017

Für Bundesjustizminister Heiko Maas ist das AfD-Programm „in Teilen verfassungswidrig“. Für dieses Etikett sei es im Wortlaut zu vage, meint Robert Hotstegs. Das sähe anders aus, wenn die AfD die Lösungsvorschläge konkret fassen würde.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz macht Wahlkampf – auch in Form von Gastbeiträgen – mal für die LTO, mal für die Frankfurter Rundschau. Dort hatte er klar Position zum Parteiprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) bezogen. Anhand von einzelnen Ausschnitten suchte Maas zu belegen, dass das Programm jedenfalls in diesen Teilen verfassungswidrig sei und mit der AfD möglicherweise sogar „Verfassungsfeinde vor den Toren des Parlaments“ stünden.

Leicht macht es die AfD den Juristen nicht, zu dieser Einschätzung zu kommen. Denn die Partei hält es mit ihrer auch sonst gewählten Kommunikationsstrategie: Sie hat aufgeschrieben, was sie nicht will. Doch was sie stattdessen beschließen möchte, lässt sie im vagen, verweilt beim „wenn – dann bzw. aber“ – doch ihre konkreten Absichten nennt die AfD nicht.

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Investitionskosten durften 2013-2016 nicht aus Beihilfenverordnung gestrichen werden, Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 07.09.2017, Az. 1 A 2241/15

Wie bereits in einer Pressemitteilung mitgeteilt, hat das Oberverwaltungsgericht jüngst entschieden, dass pflegebedürftige Beamte und Versorgungsempfänger in Nordrhein-Westfalen nicht auf das Pflegewohngeld als Sozialhilfe verwiesen werden durften, sondern dass auch für Investitionskosten in Pflegeheimen eine entsprechende Beihilfe zu gewähren war.

Die Zuschüsse für gerade diese Investitionskosten hatte das Finanzministerium NRW für die Jahre 2013 bis 2016 aus dem Katalog der Beihilfenverordnung herausgenommen. Dies war rechtswidrig, erklärte nun das Oberverwaltungsgericht.

Das Verfahren hat Strahlkraft: Durchgängige Zuschüsse können nun Versorgungsempfänger des Landes, sowie aller Gemeinden beanspruchen. Rechtsstreitigkeiten über Verjährung und Verwirkung sind aber abzusehen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Land Nordrhein-Westfalen kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen.

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) vom … Juli 2013 wird insoweit aufgehoben, als dieser die in dem Grundbescheid des LBV vom … Mai 2013 enthaltene Feststellung zurücknimmt, dass bei der Berechnung der Beihilfe zu den Heimkosten der Rechtsvorgängerin der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen auch die Investitionskosten berücksichtigt werden.

[…]

Die Revision wird nicht zugelassen. „Investitionskosten durften 2013-2016 nicht aus Beihilfenverordnung gestrichen werden, Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 07.09.2017, Az. 1 A 2241/15“ weiterlesen

„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“ | difdi | Pressemitteilung 2017-02

Düsseldorfer Institut für Dienstrecht
Düsseldorf, den 12.09.2017

::: Pressemitteilung 2/2017 :::

„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“
Tagung informiert ein Jahr nach der Dienstrechtsmodernisierung NRW 2016

Düsseldorf. Prof. Dr. Michael Koop (Kommunale Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen) und Rechtsanwalt Dr. Eberhard Baden referieren am 19.10.2017 über „Gesundheitsmanagement & Dienstunfähigkeit in Behörden“ vor Behördenvertretern, Personalräten und Rechtsanwälten. Es verspricht spannend zu werden, meint Tagungsleiterin Sarah Nußbaum. „„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“ | difdi | Pressemitteilung 2017-02“ weiterlesen

Pflegebedürftige Beamte mussten nicht Sozialhilfe beantragen | Beamtenrecht | Pressemitteilung 2017-04

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 10.09.2017

::: Pressemitteilung 4/2017 :::

Pflegebedürftige Beamte mussten nicht Sozialhilfe beantragen
OVG NRW kippt Regelung der Beihilfenverordnung, die Beamte auf Pflegewohngeld verwies

Düsseldorf/Münster. Wenn Beamte pflegebedürftig werden und in eine stationäre Pflegeeinrichtung aufgenommen werden, steigen auch bei ihnen die Kosten. Unter anderem dürfen Pflegeheime die sogenannten „Investitionskosten“ berechnen. Die Zuschüsse hierfür nahm das Finanzministerium NRW für die Jahre 2013 bis 2016 schlicht aus dem Katalog der Beihilfenverordnung heraus. Es verwies Beamte und Versorgungsempfänger auf Sozialhilfeleistungen. Dies war rechtswidrig, erklärte nun das Oberverwaltungsgericht. (Urteil v. 07.09.2017, Az. 1 A 2241/15) „Pflegebedürftige Beamte mussten nicht Sozialhilfe beantragen | Beamtenrecht | Pressemitteilung 2017-04“ weiterlesen

Freistellung vom JVA-Nachtdienst, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 17.08.2017, Az. 13 K 5296/16

In einer aktuellen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf das Land Nordrhein-Westfalen verurteilt, einen Beamten im Justizvollzug von den Nachtschichten aus gesundheitlichen Gründen freizustellen. Ausschlaggebend waren hierfür ursprünglich privatärztliche Atteste, die dann aber im Rahmen des Verfahrens auch durch den Amtsarzt bestätigt wurden. Eine vorherige vollzugsärztliche Stellungnahme mit gegenteiliger Bewertung blieb unberücksichtigt. Nach der Bewertung des Verwaltungsgerichts besteht sodann kein Ermessensspielraum mehr. Der Beamte ist von den Nachtdiensten zu befreien.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger vom dienstplanmäßig zu leistenden Dienst zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr (Nachtdienst im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 1 Arbeitszeitverordnung Nordrhein-Westfalen) freizustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Befreiung vom Nachtdienst.

[…] Derzeit wird der Kläger als Justizvollzugshauptsekretär (Besoldungsstufe A 8) in der Justizvollzugsanstalt mit überwiegender Tätigkeit in der Anstaltsküche dienstlich verwendet. Daneben ist der Kläger mit Aufgaben des allgemeinen Vollzugsdienstes betraut.

Der Küchendienst in der vorbezeichneten Dienststelle ist unterteilt in fünf Dienstposten, von denen zwei Schichten einen Dienstbeginn vor 6:00 Uhr morgens vorsehen („Küche 5“: 4:30 Uhr bis 12:42 Uhr; „Küche früh“: 5:48 Uhr bis 14:00 Uhr). Die Aufgaben des allgemeinen Vollzugsdienstes werden von den Vollzugsbeamten in Früh-, Spät- und Nachtdienst verrichtet.

Im Jahr 2015 wurde der Kläger mit 147,36 Stunden im Dienstposten „Küche 5“ und mit 335,54 Stunden im Dienstposten „Küche früh“ eingesetzt. Daneben leistete er im allgemeinen Vollzugsdienst Frühdienst mit insgesamt 24,36 Stunden. Eine Heranziehung des Klägers zu Nachtdiensten im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 1 Arbeitszeitverordnung Nordrhein-Westfalen (AZVO NRW) (Dienst zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr) erfolgte im Jahr 2015 – wie auch in den vorangegangenen Jahren – nicht. Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten zur Arbeitszeitverteilung des Klägers im Jahr 2015 wird auf die Auflistung in der beigezogenen Personalakte (Bl. 324 ff.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 23. November 2015 bat der Kläger den Beklagten darum, ihn nicht mehr „zur Nachtarbeit“ einzuteilen. Die dem Schreiben beigefügte nervenärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Herrn Dr. (YU) P. vom 17. November 2015 bescheinigt dem Kläger „Insomnie […] + Hyperreflexie beidseitig [..] + Burn-out-Syndrom […] + Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst] + Multiple psychosomatische Multiple [..]“ und lautet ferner auszugsweise auszugsweise wie folgt:

„Der Pat. wird regelmäßig mit Psychopharmaka sowie mit einer supportiven Gesprächstherapie behandelt. Angesichts des bisherigen Krankheitsbildes und die Natur und Genese der aktuellen psychischen Erkrankung berücksichtigend besteht bei dem Patienten eine reduzierte psychophysische Belastbarkeit und dadurch eine Einschränkung der beruflichen Aktivitäten. Der Patient ist auf die regelmäßige Einnahme von Psychopharmaka angewiesen, nervenärztlicherseits wird für erforderlich, dass der Patient seine Arbeit in Frühschicht verrichten soll, eine Tätigkeit in der Nachtschicht ist ihm nicht mehr zumutbar und wird sich negativ auf seine Gesundheit reflektieren.

Der Beklagte beauftragte daraufhin mit Verfügung vom 9. Dezember 2015 die vollzugsärztliche Untersuchung des Klägers.

Vor deren Durchführung reichte der Kläger eine weitere nervenärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. (YU) P. vom 26. Januar 2016 ein, in welcher die im Attest vom 17. November 2015 angegebenen Diagnosen bestätigt werden und überdies festgestellt wird, dass „[…] die Beschwerden […] nicht ausreichend und dauerhaft gebessert werden [konnten]“.

In seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2016 kommt der mit der Begutachtung betraute Vollzugsarzt, Herr LRMD Dr. med. R., nach einer Untersuchung des Klägers am 22. Februar 2016 zu dem Ergebnis, dieser sei „voll dienstfähig“. Das Gutachten enthält weiterhin folgende Feststellung:

„Es finden sich keine medizinischen Gründe den Dienst, insbesondere Nachtdienst, einzuschränken. Selbst bei Berücksichtigung der vorliegenden nervenärztlichen Bescheinigungen sind 4 x 1 Woche Nachtdienst im Jahr in derJVA zumutbar.“

Als Grundlage der Begutachtung führt das vollzugsärztliche Gutachten die beiden vorbezeichneten fachärztlichen Stellungnahmen des Herrn Dr. (YU) P. sowie ein amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamts der Landeshauptstadt vom 10. Dezember 2008 auf, welches vom Beklagten in einem anderen Zusammenhang eingeholt wurde.

Mit Schreiben vom 22. März 2016, welches dem Kläger am Folgetag zuging, teilte der Beklagte diesem unter Übersendung einer Ablichtung des vollzugsärztlichen Gutachtens mit, dass er dem Antrag auf Befreiung vom Nachtdienst aufgrund des Begutachtungsergebnisses nicht entsprechen könne. Selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Bescheinigungen bestünden keine Bedenken gegen den Einsatz des Klägers im Nachtdienst in dem üblichen Rahmen von vier Nachtdiensten im Jahr.

Unter dem 8. Juni 2016 erstattete Herr Dr. (YU) P. eine weitere nervenärztliche Stellungnahme betreffend den Kläger, in welcher es auszugsweise wörtlich heißt:

„Aus Nervenärztlicher Seite ist es unbedingt erforderlich, dass der Patient seine Arbeit nur in der Frühschicht verrichten soll. Eine Tätigkeit in der Nachtschicht würde eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hervorrufen, da er sich immer wieder neu auf und nach dem Schichtwechsel umstellen müsste. Dies würde sich zeigen mit immer weiter zunehmender Ermüdbarkeit nach geistiger Anstrengung und über körperliche Schwäche und Erschöpfung nach geringsten Anstrengungen die sich immer steigern würden.“

Der Kläger hat am 18. April 2016 die vorliegende Klage erhoben. Zugleich hat er beantragt, dem Beklagten aufzugeben, ihn vorläufig nicht zum Nachtdienst einzuteilen, bis über seinen Anspruch auf Befreiung vom Nachtdienst rechtskräftig entschieden ist. Besagter Antrag wurde im Rahmen des beigezogenen Eilverhrens 13 L 1360/16 durch Beschluss der Kammer vom 1. Juni 2016, auf welchen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgelehnt. Das hiergegen seitens des Klägers vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingeleitete Beschwerdeverfahren wurde mit Beschluss vom 19. September 2016 eingestellt, nachdem der Beklagte erklärt hatte, dass er den Kläger bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens nicht zum Ableisten von Nachtdiensten zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr verpflichten werde und die Parteien das Verfahren daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.

Während des vorliegenden Rechtsstreits beauftragte der Beklagte das Gesundheitsamt der Stadt mit der amtsärztlichen Begutachtung des Gesundheitszustandes des Klägers. Das amtsärztliche Gutachten vom 2. Februar 2017, welchem eine Untersuchung des Klägers am 29. November 2016 vorausging und auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, lautet auszugsweise wie folgt:

„Es bestehen folgende Diagnosen

• Depressive Störungen im Rahmen familiärer Belastung, mittlerweile deutlich gebessert

• Panikstörungen seit ca. 2006, mittlerweile gebessert

• Schlafstörungen

• Verdacht auf Hypertonie

[…] Die geschilderten Schlafprobleme generell und insbesondere tagsüber nach dienstlich bedingter nächtlicher Schlaflosigkeit sind glaubhaft und nach vollziehbar. Aus amtsärztlicher Sicht sollte der Beamte deshalb vom Nachtdienst befreit werden, da dieser zusätzlich auch eine Verschlimmerungsgefahr für die psychischen Erkrankungen und die vermutete beginnende Bluthochdruckerkrankung darstellt. Die im Rahmen seiner regulären Küchenarbeit anfallenden Schichten kann er ausfüllen.“

Zur Begründung seiner Klage verweist der Kläger unter Bezugnahme auf seinen Vortrag im Rahmen des Eilverfahrens auf die vorbezeichneten nervenärztlichen Stellungnahmen des Herrn Dr. (YU) P., welche seine Untauglichkeit zum Ableisten des regulären Nachtdienstes zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr belegen würden. Gleiches folge eindeutig aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 2. Februar 2017. Sofern das vollzugsärztliche Gutachten vom 24. Februar 2016 eine Fähigkeit zum Ableisten von vier Nachtdiensten pro Jahr bejahe, sei zum einen die fachliche Kompetenz des Vollzugsarztes zur Beurteilung von neurologischen bzw. psychiatrischen Krankheitsbildern zu bezweifeln; zum anderen sei das Gutachten erstellt worden auf Grundlage eines lediglich etwa 30-minütigen Gespräches, welches primär Alltagsthemen (Waffen, Autos, etc.) zum Gegenstand gehabt habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 22. März 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn vom Nachtdienst zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt zur Begründung seines Klageabweisungsantrages ebenfalls Bezug auf seinen Vortrag im vorbezeichneten Eilverfahren. Sämtlichen vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Stellungnahmen des Herrn Dr. (YU) P. ließe sich eine Nachtdienstuntauglichkeit nicht entnehmen. Insbesondere seien die in den Stellungnahmen angesprochenen Umstellungsprobleme eine allgemeine, nicht zwingend pathologische Begleiterscheinung des Schichtdienstes. Nach den Ausführungen im vollzugsärztlichen Gutachten vom 24. Februar 2016 sei davon auszugehen, dass der Kläger zumindest vier Nachtdienste pro Jahr bewältigen könne. Auch das amtsärztliche Gutachten vom 2. Februar 2017 gebe keine Veranlassung zu einer abweichenden Bewertung der Nachtdiensttauglichkeit des Klägers. Insbesondere sei auch aus diesem nicht erkennbar, aus welchen Gründen dem Kläger noch nicht einmal vier Nachtdienste pro Jahr zugemutet werden könnten. Die im Gutachten angesprochenen Schlafprobleme nach Ableisten eines Nachtdienstes seien ebenfalls allgemeine Begleitumstände der nächtlichen Schichtarbeit. Gleiches gelte im Ergebnis für den Hinweis auf die Möglichkeit der Zunahme von Beschwerden mit zunehmendem Alter; besagtem Umstand werde überdies dadurch Rechnung getragen, dass Beschäftigte/Beamte des Landes ab Vollendung des 52. Lebensjahres nur noch zu zwei Nachtdiensten pro Jahr herangezogen würden und ab dem 55. Lebensjahr vom Nachtdienst befreit wären. Aufgrund der ihn als Beamten treffenden Hingabepflicht sei der Kläger schließlich gehalten, zunächst die im amtsärztlichen Gutachten aufgeführten „weiteren Empfehlungen“ zur Verbesserung seines Gesundheitszustandes („Fortsetzung der psychiatrischen Behandlung, Abklärung und ggf. Behandlung seiner vermuteten Bluthochdruckerkrankung, Rauchkarenz, sportliche Betätigung, Schlafhygiene“) umzusetzen, bevor eine Befreiung vom Nachtdienst in Betracht käme.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten zum hiesigen und zum vorangegangenen Eilverfahren sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, weil ihr der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 16. Juni 2017 gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 VwGO übertragen wurde.

Nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte die Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.

Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Wie aus der Klagebegründung vom 17. Oktober 2016 (insbesondere Seite 2) unmissverständlich hervorgeht, begehrt der Kläger ausschließlich die Befreiung vom Einsatz im „regulären Nachtdienst“ im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 1 AZVO NRW, also vom dienstplanmäßig zu leistenden Dienst zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr. Nicht vom Klagebegehren umfasst ist damit der Einsatz des Klägers in der Frühschicht, selbst wenn diese vor 6:00 Uhr morgens beginnt. Aufgrund dieser Differenzierung war der Tenor zum Zwecke der Klarstellung zu konkretisieren.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist indes nicht die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO, sondern vielmehr die allgemeine Leistungsklage, denn bei der begehrten Befreiung vom Nachtdienst handelt es sich mangels der von § 35 S. 1 VwVfG NRW vorausgesetzten unmittelbaren Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern vielmehr eine bloße interne Organisationsmaßnahme des Beklagten ohne Bezug zum beamtenrechtlichen Grundverhältnis.

Vgl. entsprechend für eine auf religiöse Motive gestützte Klage auf Änderung eines Dienstplans OVG NRW, Urteil vom 11. August 2006 – 1 A 2650/05 -‚ Rn. 30, juris.

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis kann dem Kläger nicht vor dem Hintergrund abgesprochen werden, dass er in den vergangenen Jahren nicht zum Nachtdienst im vorgenannten Sinne herangezogen wurde, denn nach dem Vortrag des Beklagten werden Justizvollzugsbeamte, welche das 52. Lebensjahr vollendet haben, bei Nichtvorliegen von Befreiungsgründen jedenfalls noch zu zwei Nachtdiensten pro Jahr eingeteilt und erst ab Vollendung des 55. Lebensjahres vollständig vom Nachtdienst befreit. Der Kläger ist 52 Jahre alt, so dass eine Heranziehung zum Nachtdienst in den kommenden rund drei Jahren grundsätzlich möglich erscheint.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat unter Berücksichtigung der den Beklagten treffenden Fürsorgepflicht einen Anspruch auf Befreiung vom regulären Nachtdienst im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 1 AZVO NRW.

Gemäß § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen; er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Zwar führt besagte Fürsorgepflicht nicht dazu, dass der Dienstherr zur Gewährleistung eines größtmöglichen (subjektiven) Wohlbefindens des Beamten durch Abwehr jeglicher Belästigung gehalten ist. Vielmehr trifft den Beamten seinerseits gemäß § 34 S. 1 BeamtStG gegenüber seinem Dienstherrn eine Treuepflicht, welche ihn verpflichtet, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. Hierzu gehört nicht zuletzt, dass der Beamte im Rahmen der ihn treffenden Weisungsgebundenheit (§ 35 BeamtStG) organisationsinterne Maßnahmen seines Dienstherren grundsätzlich akzeptiert und nach dessen Vorstellungen ausführt. Hierbei ist dem Dienstherrn bei der Gestaltung der Arbeitsplatzverhältnisse sowie der Regelung der Ordnung in der Dienststelle, wozu auch die Einrichtung eines Schichtdienstes sowie die Verteilung der einzelnen Schichten einschließlich des Nachtdienstes zählt, grundsätzlich ein weites Organisationsermessen zuzubilligen, welches dazu führt, dass der Beamte die in diesem Bereich zu treffenden Entscheidungen, soweit sie nicht seine Rechtsstellung als solche beeinflussen, nicht unter pauschalem Hinweis auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn beanstanden kann. Insbesondere sieht das geltende Beamtenrecht nicht vor, dass der Dienstherr auf Wunsch eines Beamten bestimmte Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeitsplatzverhältnisse treffen muss. Auch die Entscheidung darüber, ob und in welcher Weise im Falle einer feststellbaren Beeinträchtigung eines Beamten durch die konkreten Verhältnisse am Arbeitsplatz oder durch das Verhalten anderer Beschäftigter für Abhilfe zu sorgen ist, trifft der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen. Sein vordringliches Anliegen muss es dabei sein, zum Wohle der Allgemeinheit für eine möglichst effektive und zugleich wirtschaftliche Erledigung der laufenden öffentlichen Aufgaben, dem insbesondere das Institut des Berufsbeamtentums dient, zu sorgen. Hieraus folgt, dass sich der Beamte nur unter besonderen Umständen zur Begrenzung des organisatorischen Entscheidungsspielraums des Dienstherrn auf dessen beamtenrechtliche Fürsorgepflicht berufen und von diesem verlangen kann, die Verhältnisse an seinem Arbeitsplatz in bestimmter Weise zu gestalten. Denkbar ist dies vor allem dann, wenn allein eine derartige Maßnahme des Dienstherrn geeignet ist, den Beamten vor (weiteren) Rechtsverletzungen zu schützen.

Zum Ganzen OVG NRW, NJW 1981, 244, 245.

Steht eine Gefährdung für Leib und Leben des Beamten durch die Ausgestaltung seiner dienstlichen Tätigkeit oder die Beschaffenheit seines Arbeitsplatzes in Rede, trifft den öffentlich-rechtlichen Dienstherrn unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens der für Dienstverträge des privaten Rechts geltenden Bestimmung des § 618 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Verpflichtung zum bestmöglichen Schutz der Beamten gegen Gefahren für Leben und Gesundheit am Arbeitsplatz, weil die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zumindest keine geringeren Anforderungen an den Dienstherrn stellt als die genannte Vorschrift des BGB an den privaten Arbeitgeber.

BVerwG, Urteil vom 13. September 1984 – 2 C 33/82 -‚ Rn. 14, juris; VG Augsburg, Urteil vom 20. September 2012 -Au 2 K 11.1082 -‚ Rn. 26, juris.

Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergibt sich ein Anspruch des Beamten auf Schutz nicht nur vor sicher erkannten, sondern auch vor ernstlich möglichen Beeinträchtigungen seiner Gesundheit. Entsprechend dem auf Beamte unmittelbar anwendbaren Arbeitsschutzgesetz, das durch die Regelungen der AZVO NRW im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitszeiten näher konkretisiert wird, ist der Dienstherr verpflichtet, die Arbeit so zu organisieren, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 4 Nr. 1 ArbSchG).

VG Augsburg, a.a.O.

Auf Grundlage der vorbezeichneten Erwägungen ist der in den Grenzen der Vorgaben der AZVO NRW grundsätzlich anzuerkennende organisatorische Gestaltungsspielraum des Beklagten bei der Einteilung der Vollzugsbeamten zum Schichtdienst vorliegend dergestalt eingeschränkt, dass ihm eine Heranziehung des Klägers zu dienstplartmäßigem Nachtdienst (20:00 Uhr bis 6:00 Uhr) zu untersagen ist. Insbesondere nach Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens vom 2. Februar 2017 ist das Gericht davon überzeugt, dass das Ableisten von Nachtdienst für den Kläger jedenfalls mit einer ernstlich möglichen Gesundheitsgefahr verbunden ist. So bescheinigt besagtes Gutachten dem Kläger neben einer depressiven Störung und Panikstärungen, welche sich jeweils bereits (deutlich) gebessert hätten, Schlafstörungen sowie Verdacht auf Bluthochdruck und schließt mit der Feststellung, dass eine Tätigkeit im Nachtdienst zum einen hinsichtlich der psychischen Erkrankungen des Klägers eine Verschlimmerungsgefahr berge und zum anderen sich negativ auf die beginnende Bluthochdruckerkrankung auswirke. Das amtsärztliche Gutachten bringt damit die Tätigkeit im Nachtdienst mit konkreten pathologischen Zuständen des Klägers in Bezug und rechtfertigt eine negative gesundheitliche Prognose für den Fall, dass der Kläger zukünftig – sei es auch nur zweimal im Jahr – zu Nachtdiensten herangezogen wird.

An diesem Ergebnis vermag auch das vollzugsärztliche Gutachten vom 24. Februar 2016 nichts zu ändern. Zum einen werden die – überdies äußerst knapp gehaltenen und nicht näher begründeten – Feststellungen des Vollzugsarztes infrage gestellt durch die vom Kläger vorgelegten diversen „nervenärztlichen Stellungnahmen“, was den Beklagten – insbesondere nach Zugang des letzten privatärztlichen Attestes vom 7. Juli 2016 – zu Recht veranlasst hat, zur weiteren Abklärung eine amtsärztliche Begutachtung in Auftrag zu geben. Zum anderen ist bei der Beurteilung der Frage der Nachtdiensttauglichkeit des Klägers maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Vor diesem Hintergrund erscheint das vollzugsärztliche Gutachten vom 24. Februar 2016 durch das amtsärztliche Gutachten vom 2. Februar 2017 in zeitlicher Hinsicht überholt.

Auch der weitere Argumentationsansatz des Beklagten verfängt nicht. Sofern dieser anführt, der Kläger sei aufgrund seiner Treuepflicht zunächst gehalten, die im amtsärztlichen Gutachten aufgeführten „weiteren Empfehlungen“ umzusetzen, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr gebietet die Fürsorgepflicht – wie dargestellt – bereits aktuell die Freistellung des Klägers von Nachtdiensten aufgrund der hiermit einhergehenden Gesundheitsgefahr. Abgesehen hiervon lässt der Beklagte offen und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, inwiefern besagte Empfehlungen dazu geeignet sind, die Nachtdiensftauglichkeit des Klägers kurzfristig wiederherzustellen. So betreffen die ärztlichen Ratschläge teilweise die Umstellung der allgemeinen Lebensweise („Rauchkarenz“, „sportliche Betätigung“, „Schlafhygiene“); zum anderen Teil beziehen sie sich auf die Durchführung bzw. Fortsetzung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen („Fortsetzung der psychiatrischen Behandlung“, „Abklärung und ggf. Behandlung seiner vermuteten Bluthochdruckerkrankung“) ohne konkrete Bezugnahme auf deren Einfluss zur Wiederherstellung der Nachtdiensttauglichkeit.

Schließlich war das Gericht nach Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens vom 2. Februar2017 nicht zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gehalten. Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterbliebene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens kann dabei nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung und Prüfung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und so die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht – wie hier – bereits ein amtsärztliches Gutachten vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht.

BVerwG Beschluss vom 25. Februar 2013 – 2 B 57/12 – Rn. 5 juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6. März 2017 – 3 ZB 14.1047 – , Rn. 14, juris.

Solche Mangel des amtsärztlichen Gutachtens trägt der Beklagte nicht vor. Sie sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.