„In dubio pro reo“ auch im Disziplinarrecht für die Persönlichkeit des Beamten, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 08.06.2017, Az. 2 B 5.17

Nach einem Dienstvergehen ist die Gefahrenprognose für einen Beamten im Zweifel günstig.

Ein Beamter, der sich nach einem Pflichtverstoß in eine therapeutisch Behandlung begibt, hat die Gelegenheit – bei einer längeren Verfahrensdauer um so mehr – nachzuweisen, dass er sich künftig keine Fehltritte mehr erlauben wird. Das Verwaltungsgericht und auch das Berufungsgericht muss dazu jeweils Beweis erheben und im Zweifel die für den Beamten günstige Prognose annehmen.

Ein langes Verfahren und durchgeführte therapeutische Maßnahmen können also dazu führen, dass in jeder Tatsacheninstanz neue Prognosen berücksichtigt werden müssen. „„In dubio pro reo“ auch im Disziplinarrecht für die Persönlichkeit des Beamten, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 08.06.2017, Az. 2 B 5.17“ weiterlesen

Beamter darf die Tat ohne negative Konsequenz bestreiten, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 05.05.2015, Az. 2 B 32.14

Ein heute bekannt gewordener Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts macht deutlich, wie wichtig es ist, im Disziplinarverfahren die Verteidigung auf eine breite Argumentationsbasis zu stellen: während viele andere Rügen erfolglos blieben, waren wir am Ende damit erfolgreich, dass wir die Verletzung rechtlichen Gehörs darlegen konnten.

Das ist umso bedeutender, als wir nämlich das Verfahren erst nach dem Abschluss des Strafverfahrens (mit einem Freispruch des Beamten) und nach der zweiten Disziplinarinstanz (jeweils Entfernung aus dem Dienst) von einem Kollegen übernommen haben. Während das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht auch die Pflicht haben, den Sachverhalt zu ermitteln, bewertet das Bundesverwaltungsgericht in der Nichtzulassungsbeschwerde nur reine Rechtsfragen. Hier zahlt sich daher Erfahrung im Disziplinarrecht doppelt aus.

Leitsätze des Gerichts:

1. Im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme kann unter dem Aspekt der Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG; hier: § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ThürDG) zu dessen Gunsten zu berücksichtigen sein, dass der Beamte die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat (z.B. indem er innere Einsicht zeigt oder sie wiedergutzumachen sucht) und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist.

2. Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben einer solchen inneren Einsicht und Aufarbeitung zu Lasten des Beamten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das Bestreiten der Tat und das Negieren oder Relativieren ihres Unrechtsgehalts gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Beamten gewertet werden.

eigener Leitsatz:

3. Soll die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausschlaggebend auch auf das Verteidigungsverhalten im Disziplinarverfahren gestützt werden, ist hierzu ein gerichtlicher Hinweis erforderlich und rechtliches Gehör zu gewähren. Der Beamte muss Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. „Beamter darf die Tat ohne negative Konsequenz bestreiten, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 05.05.2015, Az. 2 B 32.14“ weiterlesen

„die Tat als Hilferuf“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 13.03.2013, Az. 37 K 3025/12.BDG

In einer aktuellen Entscheidung hat sich die Bundesdisziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorfs mit den Entlastungsmomenten befasst, die einem Beamten im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ebenfalls zugute zu halten sind – ohne dass es sich hierbei um anerkannte Milderungsgründe handelt. Dabei wendet das Gericht die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade auch bei den sogenannten Zugriffsdelikten auf den konkreten Fall an. „„die Tat als Hilferuf“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 13.03.2013, Az. 37 K 3025/12.BDG“ weiterlesen

Beseitigung eines wesentlichen Mangels im behördlichen Disziplinarverfahren, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 08.06.2012, Az. 37 K 3025/12.BDG

In dem disziplinargerichtlichen Verfahren

der Bundesrepublik Deutschland, Klägerin,

gegen den Zollhauptsekretär, Beklagten

Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte Dr. Obst und Hotstegs, Rechtsanwaltspartnerschaft, Mozartstraße 21, 40479 Düsseldorf,

w e g e n    einer Disziplinarklage (hier: Fristsetzung gemäß § 55 Abs. 3 BDG)

hat die 1. Bundesdisziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am 8. Juni 2012

b e s c h l o s s e n:

Der Klägerin wird zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens eine Frist von drei Monaten ab Zustellung dieser Entscheidung gesetzt. „Beseitigung eines wesentlichen Mangels im behördlichen Disziplinarverfahren, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 08.06.2012, Az. 37 K 3025/12.BDG“ weiterlesen

Im Disziplinarrecht darf es keine Schematik geben! (Kommentar zu BVerwG 2 B 61.10 und dem revisionsrechtlichen Disziplinarverfahren)

Kommentar zu BVerwG 2 B 61.10 (Beschluss vom 20. Oktober 2011)

Mit dem Bundesdisziplinargesetz vom 9. Juli 2001, BGBl. I S. 1510 (BDG), wurde erstmals die Möglichkeit einer Revision in Disziplinarsachen eröffnet (§§ 69 ff. BDG). Ebenfalls lässt § 67 Landesdisziplinargesetz NRW vom 16. November 2004, GV. NRW. S. 624 (LDG NRW), die Revision in gerichtlichen Disziplinarverfahren erstmals zu. Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes steht danach den Beteiligten die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht selbst oder auf eine anwaltliche Beschwerde gegen die Nichtzulassung hin das Bundesverwaltungsgericht sie selbst zugelassen hat. „Im Disziplinarrecht darf es keine Schematik geben! (Kommentar zu BVerwG 2 B 61.10 und dem revisionsrechtlichen Disziplinarverfahren)“ weiterlesen