nicht jedes Fehlverhalten rechtfertigt die Entlassung eines Beamten auf Probe (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 04.01.2010, Az. 13 L 1664/09)

Nach dem Beamtenrecht kann eine Beamtin bzw. ein Beamter verschiedene Arten des Beamtenverhältnisses durchlaufen, so z.B. das Beamtenverhältnis auf Widerruf oder das Beamtenverhältnis auf Probe bevor es dann zu einer Lebenszeitverbeamtung kommt. Beamte auf Widerruf bzw. Probe sind aus Sicht des Dienstherrn „leichter“ zu entlassen als Beamte auf Lebenszeit. In einem aktuellen Beschluss weist das Verwaltungsgericht Düsseldorf aber darauf hin, dass auch hierbei der enge Wortlaut des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) einzuhalten ist. So liegt eine mangelnde Bewährung eines Probebeamten eben nicht vor, wenn dieser vor Begründung des Probebeamtenverhältnisses strafrechtlich auffällig geworden ist und dies aber dem Dienstherrn vor der Begründung des Beamtenverhältnisses bekannt war. Ob ein Straf- oder Disziplinarverfahren bereits abgeschlossen war, ist diesbezüglich unerheblich.

 

Im Einzelnen heißt es:

„Im vorliegenden Fall überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit, weil der Bescheid vom 29. Oktober 2009 offensichtlich rechtswidrig ist.

Ob dieser Bescheid in formeller Hinsicht rechtlich nicht zu beanstanden ist, insbesondere die Gleichstellungsbeauftragte in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise beteiligt worden ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist er materiell-rechtlich fehlerhaft.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) können Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte, (Nr. 1) oder wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben (Nr. 2). Beide Entlassungstatbestände stehen rechtlich selbständig nebeneinander. Der Dienstherr kann also, falls die tatsächlichen Voraussetzungen beider Tatbestände gegeben sind, die Entlassung entweder auf die eine oder die andere Vorschrift oder auf beide Vorschriften stützen.

Ist die Verfügung des Dienstherrn auf eine einzige Vorschrift gestützt, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. Auf die Voraussetzungen der anderen Vorschrift kommt es dann nicht an.

Im vorliegenden Fall hat der Leiter der [Behörde] die Entlassung des Antragstellers allein auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG gestützt. Zwar ist in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Oktober 2009 lediglich ausgeführt, der Antragsteller werde ‚gemäß § 23 Abs. 3 BeamtStG‘ entlassen, ohne den Entlassungstatbestand genau zu benennen. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch unzweideutig, dass § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG gemeint ist. Denn in dem Bescheid vom 29. Oktober 2009 ist als Grund für die Entlassung angegeben, dass der Antragsteller für eine weitere Tätigkeit […] wegen offenbarer charakterlicher Mängel nicht geeignet sei. Dementsprechend war in dem Anhörungsschreiben vom 16. September 2009 davon die Rede, es sei beabsichtigt, die Entlassung des Antragstellers gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 BeamtStG auszusprechen, weil er sich in der Probezeit nicht bewährt habe. Das sieht der Antragsgegner ebenso. Er hat im Hauptsacheverfahren (13 K 6994/09) mit Schriftsatz vom 20. November 2009 ausgeführt, der Leiter der [Behörde] habe seine Entscheidung auf die fehlende Bewährung des Antragstellers in der Probezeit gestützt. Dafür, dass die Entlassung des Antragstellers – zumindest zusätzlich – auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG gestützt worden ist, gibt es keine Anhaltspunkte.

Die auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG gestützte Entlassung des Antragstellers ist rechtswidrig, weil die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Entlassungstatbestandes – nämlich, dass der Antragsteller sich in der Probezeit nicht bewährt hat – nicht vorliegen.

Im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG steht dem Dienstherrn ein weitreichender Beurteilungsspielraum zu, der nur eine eingeschränkte rechtliche Kontrolle zulässt. Die Eignungseinschätzung kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur darauf überprüft werden, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

Die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis wegen mangelnder Bewährung ist allerdings keine Ermessensentscheidung. Gelangt der Dienstherr zu der Überzeugung, dass der Beamte auf Probe hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung nicht behebbare Mängel aufweist, so ist er verpflichtet, den Beamten zu entlassen. Mit dem Wort ‚kann‘ trägt die Vorschrift dem Gesichtspunkt Rechnung, die Probezeit zu verlängern, wenn die Bewährung oder Nichtbewährung des Beamten noch nicht endgültig festgestellt worden ist.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG ist erforderlich, dass der Bewährungsmangel während der Probezeit aufgetreten ist. Mängel, die aus in der Vergangenheit liegenden, vor Beginn der Probezeit abgeschlossenen Sachverhalten herrühren, rechtfertigen nicht die Entlassung nach dieser Vorschrift. Maßgebend für die Beurteilung sind ausschließlich das Verhalten und das Persönlichkeitsbild des Beamten während der laufbahnrechtlichen Probezeit.

Das bedeutet jedoch nicht, dass ein für die Entscheidung des Dienstherrn erhebliches Verhalten in der Probezeit nur deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil es nach der Begründung des Beamtenverhältnisses lediglich fortgesetzt wird und die zugrundeliegenden Fakten dem Dienstherrn bei der Einstellung bekannt waren.

 

Angewandt auf den vorliegenden Fall, ergibt sich:

Das Gericht kann offen lassen, ob die Einschätzung des Eignung des Antragstellers durch den Leiter der [Behörde] einer rechtlichen Nachprüfung stand hält. Denn auch wenn das der Fall wäre, würde es auf jeden Fall einer weiteren Tatbestandsvoraussetzung fehlen.

Grund für die Entlassung des Antragstellers war die strafbaren Handlungen, wegen denen er durch Urteil des Amtsgerichts A. vom 15. Dezember 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden ist […]. Diese strafbaren Handlungen waren jedoch mit der Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers und der Sicherstellung der Tatgegenstände, die am 26. Januar 2008 stattgefunden hatten, beendet. Eine Fortsetzung gab es nicht. Da der Antragsteller erst in der Zeit danach, nämlich am 17. Juli 2008, in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen worden ist, handelt es sich bei diesen strafbaren Handlungen um einen in der Vergangenheit liegenden, vor Beginn der Probezeit abgeschlossenen Sachverhalt. Sie rechtfertigen somit nicht eine Entlassung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG.

Der Antragsgegner hatte auch Gelegenheit, zu diesem Punkt Stellung zu nehmen. Der Antragsteller hatte in der Antragsschrift vom 29. Oktober 2009 ausgeführt, es sei nur das innerhalb der Probezeit gezeigte Verhalten und Persönlichkeitsbild maßgeblich. Das Disziplinarverfahren sei aber bereits geraume Zeit vor dem Beginn der Probezeit eingeleitet worden. In der Antragserwiderung ist der Antragsgegner allerdings darauf nicht im Einzelnen eingegangen.

Ob das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG anders zu beurteilen ist, wenn der Sachverhalt, auf den die mangelnde Eignung gestützt wird, dem Dienstherrn erst nach Aushändigung der Ernennungsurkunde, aber bereits vor dem Wirksamwerden der Ernennung bekannt geworden ist, kann hier dahinstehen. Denn im Falle des Antragstellers war bei der Aushändigung der Ernennungsurkunde am 17. Juli 2008 der maßgebliche Sachverhalt bekannt, zumal unter dem 21. Februar 2008 gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden war.