Keine Entschädigung für nicht beanspruchten Urlaub eines Beamten?

Das Verwaltungsgericht Koblenz hatte kürzlich -unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Nichtverfallbarkeit von Urlaub bei Arbeitsunfähigkeit (Urteil vom 20.1.2009, C-350/06 und C-520/06)- darüber zu entscheiden, ob Urlaub von Beamten, der nicht angetreten werden konnte, verfällt. Das VG Koblenz fällte sein Urteil am 21.07.2009 unter dem Aktenzeichen 6 K 1253/08.KO. Bislang liegt das Urteil noch nicht im Volltext vor. Es gibt jedoch eine Pressemitteilung des VG Koblenz vom 10.08.2009 (Nr. 36/09 ), die folgenden Inhalt hat:

„Ein Landesbeamter kann keine finanzielle Entschädigung für Urlaubstage verlangen, die er krankheitsbedingt vor seiner Versetzung in den Ruhestand nicht nehmen konnte.

Der Kläger, Beamter im Dienste des beklagten Landes, war seit Juli 2007 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt und wurde mit Ablauf des Monats Juli 2008 wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Für 62 Urlaubstage, die er in den Jahren 2007 und 2008 vor seiner Zurruhesetzung krankheitsbedingt nicht nehmen konnte, beantragte der Kläger eine finanzielle Vergütung.

Dies lehnte der Beklagte u.a. mit der Begründung ab, eine finanzielle Vergütung sei dem öffentlichen Dienstrecht grundsätzlich fremd und es fehle außerdem an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Entschädigung. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und machte geltend, sein Anspruch ergebe sich aus der europäischen Arbeitszeitrichtlinie und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Die Klage hatte vor dem VG Koblenz keinen Erfolg. Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte finanzielle Entschädigung. Der Erholungsurlaub eines Beamten ist nicht eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern dient dazu, die Arbeitskraft des Beamten aufzufrischen und zu erhalten.

Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht werden, wenn der Betroffene, wie der Kläger, aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist. Da die Urlaubsansprüche des Klägers somit verfallen sind, kommt eine finanzielle Abgeltung für nicht genommene Urlaubstage nicht in Betracht. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Das Bundesurlaubsgesetz, das für das Arbeitsrecht einen Abgeltungsanspruch vorsieht, kann insoweit nicht herangezogen werden, da zwischen einem Arbeits- und Beamtenverhältnis strukturelle Unterschiede bestehen. Während der Erholungsurlaub des Beamten der Erhaltung seiner Arbeitskraft dient, erwirtschafte sich der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch durch seine Arbeitsleistung.

Auch aus der Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitszeitrichtlinie lässt sich kein Anspruch des Klägers auf eine finanzielle Entschädigung für nicht genommenen Urlaub herleiten. Denn die vom EuGH angestellten Erwägungen zum Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zahlung eines Urlaubsentgeltes sind auf das Beamtenverhältnis nicht übertragbar, das eine Vergütung einzelner Tätigkeiten nicht vorsieht, sondern von einer umfassenden Einbindung des Beamten in ein Rechts- und Pflichtenverhältnis geprägt sei.

Gegen diese Entscheidung kann beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Zulassung der Berufung beantragt werden.“

 


Soweit der Text der Pressemeldung des VG Koblenz. Bislang, Stand 15.09.2009, ist das Urteil nicht rechtskräftig.


Die Gewerkschaft ver.di beantwortet die Rechtsfrage, ob Urlaub verfällt bzw. entschädigt werden muss, völlig anders. So heißt es im Informationsschreiben Nr. 9  des Ressorts 12 (Bereich Beamtinnen und Beamte) der ver.di-Bundesverwaltung vom 12.03.2009 unter dem Betreff „Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Nichtverfallbarkeit von Urlaub bei Arbeitsunfähigkeit (Urteil vom 20.1.2009, C-350/06 und C-520/06)“ u.a.:

IV. Beamtenrechtliche Konsequenzen

1. Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/88 auf Beamte

Die Entscheidung des EuGH prüft die Vereinbarkeit des Art. 7 der Richtlinie 2003/88 mit nationalem Recht. Diese Richtlinie gilt nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sondern auch für Beamtinnen und Beamte. Sowohl im System des EG-Vertrages als auch im Koordinierungssystem der VO 1408/71 werden Beamte als Arbeitnehmer angesehen (vgl. Steinmeyer in „Handbuch des Europäischen Arbeits- und Sozialrechts, § 21, Rz. 36). Unter dem EG-rechtlichen Begriff des „Arbeitnehmers“ sind alle abhängigen Beschäftigungsverhältnisse, unabhängig vom jeweiligen Rechtsstatus im nationalen Recht (also z.B. öffentlich-rechtlich wie das Beamtenverhältnis) zu verstehen. Es findet sich in der Richtlinie selbst auch keine einschränkende Definition, die Beamtinnen und Beamten aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausschlösse.

2. Abgeltung von Urlaub im Beamtenverhältnis

Der Anspruch auf Urlaub geht nicht unter. Kann der Urlaub aufgrund einer längeren Erkrankung des Beamten/der Beamtin nicht genommen werden, weil sich z.B. die Dienstunfähigkeit anschließt, stellt sich die Frage, ob hierfür eine Urlaubsageltung verlangt werden kann. Das Verwaltungsgericht Ansbach (Urteil v. 15.02.06, Aktz. AN 11 K 05.03817) hat einen Abgeltungsanspruch mit Hinweis auf die „herrschende Meinung“ in Rechtsprechung und Literatur abgelehnt. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für den Abgeltungsanspruch. Eine analoge Anwendung anderer Urlaubsregelungen wie z.B. § 7 Abs. 4 BurlG sei nicht möglich, weil es keine planwidrige Gesetzeslücke gäbe. Die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses mit den aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden hergebrachten Grundsätzen der Treupflicht des Beamten und der Allimentationspflicht des Dienstherrn, wie sie insbesondere in der Verfallsvorschrift des § 7 EUrlV als Ausschlussbestimmung ohne Ausnahmemöglichkeit zum Ausdruck kommen, stünden dem entgegen. Dies gelte auch, wenn der Urlaub aus nicht vom Beamten zu vertretenen Gründen, wie bspw. wegen Krankheit oder Ruhestandsversetzung nicht (mehr) genommen werden könne. Es ist in der Tat so, dass eine dem § 7 Abs. 4 BurlG vergleichbare Regelung, demnach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht gewährter Urlaub finanziell abgegolten werden kann, in der Erholungsurlaubsverordnung des Bundes (EurlV) nicht enthalten ist.

Dieser Argumentation lässt sich aber entgegen, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 eine Abgeltungsregelung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht. Bislang fehlt es an einer Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie insoweit in nationales Recht, als dass diese nicht in die Urlaubsregelungen für Beamtinnen und Beamte umgesetzt wurden. Grundsätzlich bedarf es zur Wirkung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien der Umsetzung in nationales Recht. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfalten aber Richtlinien unmittelbare Wirkung, in den Fällen, in denen die diese nicht oder nur mangelhaft umgesetzt wurde (vgl. Schütz, Bruha, König, Casebook Europarecht, § 4, S. 134 m.w.N.). Daher ergibt sich eine direkte Wirkung der Richtlinie in die Beamtenverhältniss, da es an einer entsprechenden Umsetzung in die Urlaubsregelungen für Beamtinnen und Beamte fehlt. Da es bislang aber hierzu eine andere Rechtsprechung gibt, sollte in entsprechenden Verfahren diese Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vorgetragen werden.

3. Weitere beamtenrechtliche Fallgestaltungen:

a. Der Beamte/die Beamtin wird in einem Urlaubsjahr (= gem. § 1 EurlV das Kalenderjahr) krank und kehrt aber noch im selben Kalenderjahr zurück: Dann kann – wie bisher – der Jahresurlaub gemäß § 7 EUrlV bis zum Ende des Folgejahres genommen werden.

b. Wenn der Beamte/dieBeamtin während eines ganzen Kalenderjahres und des gesetzlichen Übertragungszeitraumes, dh. bis zum Ende des Folge-jahres krank ist und danach wieder in den Dienst zurückkehrt, entsteht der Urlaubsanspruch unserer Auffassung nicht nur in Höhe des in der Richtlinie vorgesehenen Mindesturlaubes (vier Wochen) – ebenso der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte – , sondern gem. § 5 EUrlbV zwischen 26 und 30 Tagen. Gem. § 89 BBG i.V.m. der EUrlV greift hier ein gesetzlicher Anspruch auf Urlaub.

Nach der EuGH-Entscheidung muss dem Beamten/der Beamtin die Möglichkeit gegeben werden, den Urlaub nach seiner Krankheit zu nehmen. Er darf nicht verfallen.

c. Wird der Beamte/die Beamtin während des Übertragungszeitraumes wieder arbeitsfähig, so hat der Dienstherr auf Wunsch den Urlaub zu erfüllen. Soweit der Übertragungszeitraum nicht für den Urlaub ausreicht, muss für den „Rest“-Urlaub eine Übertragung, die über den Übertragunsgzeitraum hinaus möglich sein.

4. Verjährung

In diesem Zusammenhang wird künftig die Frage der Verjährung für den Anspruch auf nichtverfallenen Urlaub eine wichtige Rolle spielen. Dies ist insbesondere für die Geltendmachung alter Urlaubsansprüche aufgrund der neuen Entwicklung relevant. Da es in diesem Zusammenhang noch keine arbeits- bzw. verwaltungsrechtliche Rechtsprechung gibt, ist größte Vorsicht geboten. Es bleibt abzuwarten, wie Rechtsprechung oder Gesetzgebung damit umgehen. Für den Urlaubsanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Diese Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, indem der Anspruch entstanden ist und der Beamte/die Beamtin Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen erlangt. Der Anspruch entsteht regelmäßig mit seiner Fälligkeit. Fraglich könnte in Zukunft werden, wann der Beamte/die Beamtin von den Umständen, die den Anspruch begründen, Kenntnis erlangt. Aus Beschäftigtensicht kann die Verjährung des Urlaubsanspruchs frühestens mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit beginnen. Argumentativ lässt sich anführen, dass der Beamte/die Beamtin erst dann wissen kann, wie viel Urlaub kumuliert wurde und ab wann er/sie den Urlaub nehmen kann. Die Umstände sind ihm/ihr erst dann vollständig bekannt. Die Rechtsprechung könnte aber auch davon ausgehen, dass die Verjährung bereits mit Schluss des Jahres, in dem der jeweilige Jahresurlaubsübertragungsanspruch entsteht, beginnt. Jedenfalls dürfte die Verjährungsfrist auch dann unter Berücksichtigung dieser Entscheidung nicht enden, bevor der Beamte/die Beamtin überhaupt die Möglichkeit hatte, Urlaub nachträglich zu nehmen. Das wäre der Fall, wenn der Beamte/die Beamtin bis zum Ende der Verjährungsfrist arbeitsunfähig wäre. Das wäre mit Art. 7 Abs. 1 der Richtline unvereinbar, der gerade fordert, dass ein Mindesturlaub gewährleistet sein muss. Insofern müsste logische Folge im Einzelfall die Unanwendbarkeit der Verjährungsregelungen Urlaubsanspruch sein. Sicherheitshalber sollte für die Geltendmachung der Ansprüche schnell gehandelt und für die Geltendmachung von der kürzeren Verjährungsfrist ausgegangen werden.

5. Beamtenrechtliches Fazit:

Ein Beamter/eine Beamtin, die während eines Kalenderjahres und des gesetzlichen Übertragungszeitraumes, erkrankt und danach wieder in den Dienst zurückkehrt, hat in Höhe gem. § 5 EUrlbV zwischen 26 und 30 Tagen zuzüglich des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte.

Zunächst ist davon auszugehen, dass die drei jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB bereits mit Schluss des Jahres, in dem der jeweilige Jahresurlaubsübertragungsanspruch entsteht, beginnt.

Es ist bislang gerichtlich nicht geklärt, ob bei Beendigung des aktiven Beam-tenverhältnisses wegen Eintritt in die Dienstunfähigkeit oder Ruhestand, ein Abgeltungsanspruch für wegen Krankheit nicht genommenen Urlaub besteht. Es fehlt bislang an einer nationalen Rechtsgrundlage.“

Quelle des Ver.di Gutachtens: