OVG NRW trödelt: 51 Monate Verfahrensdauer sind zu lang, Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil v. 28.09.2015, Az. 13 D 27/14

Es gibt diese Akten, die bei Gericht liegen und eine Entscheidung ist nicht in Sicht. Das ist besonders ärgerlich, wenn es sich über lange Zeit um Verfahrensabschnitte ohne mündliche Verhandlung handelt. Hier lag nun der Antrag auf Zulassung der Berufung über 4 Jahre lang dem Senat vor, ohne dass das Verfahren voranschritt. Erst als eine Verzögerungsrüge erhoben wurde, ging dann alles „ganz schnell“. Entschädigung gab es aus besonderen Gründen des Übergangsrechts dennoch nicht.

eigene Leitsätze:

1. Der Begriff der überlangen Verfahrensdauer ist anhand des gesamten Verfahrens von Klageerhebung bis Rechtskraft zu bestimmen. Ein behördliches Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) wird nicht hinzugerechnet.

2. Die förmliche Verzögerungsrüge ist von der formlosen Sachstandsanfrage mit Beschleunigungsbitte abzugrenzen. Nur „echte“ Verzögerungsrügen können Entschädigungsansprüche auslösen.

3. Der Gesetzgeber wollte anständige Prozessbeteiligte nicht bestrafen. Grundsätzlich rügt die Verzögerungsrüge daher die vorangegangene und die nachfolgende Verzögerung.

4. Art. 23 Satz 2 ÜGRG findet nur auf Verfahren Anwendung, die bereits zum 03.12.2011 überlang anhängig waren. Nur in diesen Fällen wirkt die Verzögerungsrüge ausnahmsweise nur noch in die Zukunft. Auch die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer ist dann für die Zeit vor der Verzögerungsrüge ausgeschlossen. (Anschluss an Bundessozialgericht, Bundesfinanzhof, Bundesgerichtshof)

In dem Verwaltungsrechtsstreit

der Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Mozartstraße 21,40479 Düsseldorf, Az.: 233/13,

gegen

das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5,48143 Münster, Az.: 3431e,
Beklagten,

wegen Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

hat der 13. Senat

auf die mündliche Verhandlung

vom 28. September 2015

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens, das beim Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 3 K 6607/08 geführt wurde, war ihre gegen den Beklagten, vertreten durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) gerichtete Klage, mit der sie Besoldung in Höhe von 7.572,50 Euro – hilfsweise Neubescheidung – begehrte. Zum 1. Januar 2008 war die Klägerin vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden, so dass sie fünf Monate der Freizeitphase im „Sabbatjahr-Modell“ nicht in Anspruch nehmen konnte. Hierfür verlangte sie die Nachzahlung der Besoldung. In Bezug auf dieses Klageverfahren rügt die Klägerin die überlange Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem OVG NRW (3 A 2224/09).

Diese Klage erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Verwaltungsgericht am 9. Oktober 2008. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab, nachdem die Klägerin den Zahlungsantrag zurückgenommen hatte. Die Abweisung des Bescheidungsantrags ergab sich ohne tatsächliche Ermittlungen oder Beweisaufnahme aus rechtlichen Erwägungen zu § 78b Abs. 4 Landesbeamtengesetz NRW (LBG), insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2008 – 2 C 15.07 -.

Gegen das ihr am 28. August 2009 zugestellte Urteil beantragte die Klägerin am 21. September 2009 beim erkennenden Gericht die Zulassung der Berufung (3 A 2224/09). Ihr Prozessbevollmächtigter begründete den Zulassungsantrag unter dem 20. Oktober 2009 und stützte diesen auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, besondere Schwierigkeiten der Rechtssache sowie grundsätzliche Bedeutung. Das LBV bat unter dem 27. Oktober 2009 um stillschweigende Fristverlängerung zur Stellungnahme bis Ende Januar 2009 (gemeint 2010) wegen zeitlich vorrangiger fristgebundener Terminssachen. Nachdem das LBV auf sein Ersuchen vom 21. Januar 2010 seinen Verwaltungsvorgang zurückgesandt erhalten hatte, nahm es unter dem 24. Februar 2010 zum Zulassungsantrag Stellung. In der Folgezeit lag die Sache aufgrund von Verfügungen des Berichterstatters mit Fristen von zwei bis vier Monaten auf Wiedervorlage. Am 7. Dezember 2012 fragte der Bevollmächtigte der Klägerin (Rechtsanwalt A) telefonisch nach dem Verfahrensstand, da er Ende des Jahres in den Ruhestand gehen werde, und bat um baldige Entscheidung. Unter dem 20. Dezember 2012 teilte der Berichterstatter hierzu unter Bedauern mit, dass sich abzeichne, dass es nicht möglich sein werde, noch im laufenden Jahr über den Zulassungsantrag zu entscheiden; der Senat bleibe um zeitnahe Entscheidung bemüht. Seit Mitte Januar 2013 lag die Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens dem Berichterstatter vor. Am 26. August 2013 ging beim erkennenden Gericht die Verzögerungsrüge des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 198 Abs. 3 GVG ein, welche der Bevollmächtigte eingehend begründete. Er rügte insbesondere die Dauer von mehr als 47 Monaten seit dem Eingang des Antrags auf Zulassung der Berufung, wodurch dieses nach veröffentlichten statistischen Zahlen länger als ca. 90 % aller Zulassungsverfahren beim erkennenden Gericht andauere. Der 3. Senat des erkennenden Gerichts lehnte den Zulassungsantrag mit Beschluss vom 27. November 2013 ab. Der Senat sah weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, noch besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, eine Divergenz oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 29. November 2013 übermittelt.

Die Klägerin hat am 18. Februar 2014 diese Entschädigungsklage gemäß § 198 GVG erhoben. Sie macht in Bezug auf das Zulassungsverfahren 3 A 2224/09 Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer geltend. Das Verfahren habe sich von der Einlegung des Rechtsmittels am 21. September 2009 bis zur Zustellung des ablehnenden Beschlusses am 29. November 2013 über vier Jahre und zwei Monate erstreckt. Dies sei unangemessen. Mit der Dauer von rund 50 Monaten sei das Verfahren erheblich länger als 97 % der vergleichbaren Verfahren im Zeitraum 2008 bis 2012 (gemäß Statistik des Justizministeriums NRW). Die überlange Verfahrensdauer habe dazu beigetragen, das Vertrauen der Klägerin in ihr verfassungsrechtlich verbrieftes Recht auf effektiven Rechtsschutz nachhaltig zu erschüttern. Die – aus Sicht der Klägerin vorliegende – rechtsgrundlose Bereicherung des beklagten Landes in Bezug auf die nicht gezahlte Besoldung habe sie durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zunächst hinnehmen müssen. Sodann sei sie über viele Jahre darüber im Unklaren gelassen worden, ob dieses Urteil in einem Berufungsverfahren nachgeprüft werde. In dieser Situation sei weder die gesetzliche Vermutung eines Nachteils nicht vermögenswerter Art gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG widerlegt noch sei eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG möglich. Das Verfahren sei bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von zwölf Monaten im Zulassungsverfahren um 38 Monate verzögert, wobei der Regelbetrag von 1.200 Euro pro Verzögerungsjahr zuzusprechen sei. Die Entschädigungshöhe werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, solle jedoch mindestens 3.600 Euro betragen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr im Hinblick auf die Dauer des beim OVG NRW geführten Verfahrens 3 A 2224/09 eine angemessene Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer, mindestens von 3.600 Euro, zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei schon nicht zulässig. Die Klägerin habe die gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG vorgeschriebene Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge nicht eingehalten. Diese Frist gelte auch für Fälle, in denen das Verfahren innerhalb der 6-Monats-Frist abgeschlossen werde; für eine teleologische Reduktion sei kein Raum. Daraus folge zwingend die Unzulässigkeit der Klage; eine Heilung durch Zeitablauf finde nicht statt.

Die Klage sei auch unbegründet. Das Ausgangsverfahren betreffe eine ungewöhnliche Fallkonstellation. Der geltend gemachte Anspruch im Gefolge des Gesetzes über das Personaleinsatzmanagement sei landesweit in diesem einzigen Fall in zweiter Instanz anhängig geworden. Jedenfalls stehe der Klägerin die Entschädigung nicht in der begehrten Höhe für eine Verzögerung von 38 Monaten zu. Bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge am 26. August 2013 seien Entschädigungsansprüche durch Art. 23 Satz 2 ÜGRG ausgeschlossen. Die Sachstandsanfrage vom 7. Dezember 2012 sei nicht als Verzögerungsrüge auszulegen. Sei die Rüge nicht rechtzeitig erhoben, begründe sie bei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Entschädigungsregelungen bereits anhängigen Verfahren den Anspruch erst vom Rügezeitpunkt an. Der lediglich drei Monate lange Zeitraum von der Erhebung der Verzögerungsrüge bis zum 27. November 2013 sei nicht unangemessen lang.

Durch Beschluss vom 25. März 2015 hat der Senat den Richter am Oberverwaltungsgericht Sander als Prozessvertreter der den Beklagten vertretenden Präsidentin des OVG NRW zurückgewiesen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Ausgangsverfahrens VG Köln 3 K 6607/08 Bezug genommen.

Entscheidunsgründe:

Die Klage, die sowohl in prozessualer als auch in materieller Hinsicht an §§ 198 ff. GVG zu messen ist (dazu A.), hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (B.), aber nicht begründet (C.).

A. Die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198 ff.), die im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar sind (§ 173 Satz 2 VwGO), sind sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht auf das Begehren der Klägerin anzuwenden. Zwar sind die für die Entschädigungsverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer in der Verwaltungsgerichtsbarkeit einschlägigen Vorschriften (§ 173 Satz 2 VwGO, §§ 198 ff. GVG) erst durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (ÜGRG; BGBl. I S. 2302 vom 2. Dezember 2011) am 3. Dezember 2011 Kraft getreten (Art. 24 ÜGRG). Nach Satz 1 der Übergangsvorschrift in Art. 23 ÜGRG gilt das Gesetz u. a. auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten bereits anhängig waren. Die Klägerin bezieht ihre Entschädigungsklage hier auf das auf die Zulassung der Berufung gerichtete Verfahren 3 A 2224/09, welches am 3. Dezember 2011 anhängig war.

B. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Der Senat ist gemäß § 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG zur Entscheidung berufen, da es um ein aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit stammendes Ausgangsverfahren geht, dessen unangemessene Verfahrensdauer die Klägerin rügt.

1. Die auf Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung gerichtete allgemeine Leistungsklage ist statthaft. Der die angemessene Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellende Antrag der Klägerin ist zulässig. Es liegt ein Fall vor, in dem wegen des Ermessens des Gerichts zur Höhe des angemessenen Betrages ein nicht präzise bezifferter Leistungsantrag erlaubt ist. Bei Entschädigungsklagen gemäß §§ 198 ff. GVG müssen allerdings die für die Bemessung der Höhe des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benannt werden und ist zumindest eine Größenordnung anzugeben. Dies kann durch Angabe des Zeitraums der Verzögerung und Bezugnahme auf den Regelbetrag der Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG von 1200,00 Euro pro Jahr der Verzögerung erfolgen.

Vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015-5 C 5.14 D -‚ juris Rn. 15f.; Thür. OVG, Urteil vom 8. Januar 2014 -2 SO 182/12—, ThürVBl. 2014, 165 ff. = juris Rn. 37.

Die Klage der Klägerin genügt diesen Anforderungen, weil sie das auf angemessene Entschädigung gerichtete Begehren durch Benennung des aus ihrer Sicht zu entschädigenden Zeitraumes der Verzögerung von 38 Monaten sowie die Angabe eines Mindestbetrages von 3600,00 Euro konkretisiert.

II. Die Begrenzung der Entschädigungsklage auf eine unangemessen lange Verfahrensdauer in dem beim erkennenden Gericht geführten Verfahren 3 A 2224/09 ist prozessualer Natur und nach der Dispositionsmaxime zulässig. Dies ändert nichts daran, dass materieller Bezugsrahmen der Überprüfung der unangemessenen Verfahrensdauer das gesamte Verfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 – 5 C 1.13 D -‚ NVwZ 2014,1523 ff. = juris Rn. 11 ff.

III. Weiter steht der Zulässigkeit der Leistungsklage nicht entgegen, dass die Klägerin eine angemessene Entschädigung beim Beklagten nicht vorgerichtlich geltend gemacht hat. Ein solcher Antrag ist zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht erforderlich; dies lässt sich schon der Begründung zum Gesetzentwurf entnehmen.

Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. November 2010 zu einem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BTDrs. 17/3802, Zu Abs. 5, Zu Satz 1, S. 22; BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 5 B 3.14 D -, jurisRn. 15; BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 -B 10 ÜG 8/14 R -‚ Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 4. September 2014 -21 F 1/13-, DVBI. 2014, 1477 ff. = juris Rn. 27.

IV. Die Klägerin hat die Klage innerhalb der Klagefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG erhoben. Nach dieser Vorschrift muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist mit dem Zulassungsbeschluss vom 27. November 2013 -3 A 2224/09-‚ welcher dem Bevollmächtigten der Klägerin am 29. November 2013 zugestellt worden ist, formell rechtskräftig geworden. Die Entschädigungsklage hat die Klägerin am 18. Februar 2014 erhoben. Derzeit sind Entschädigungsklagen gemäß § 90 Abs. 1 VwGO mit Eingang beim Verwaltungsgericht erhoben und rechtshängig.

Vgl. OVG NRW, Gerichtsbescheide vom 19. August 2015 – 13 D 42/15 und 13045/15-, zur Veröffentlichung vorgesehen.

V. Der Zulässigkeit steht ferner nicht das Erfordernis einer Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG entgegen. Zwar ist hier die Verzögerungsrüge am 26. August 2013 erhoben und die Frist damit – um wenige Tage – verfehlt worden. Die Wartefrist gilt aber aufgrund einer teleologischen Reduktion nicht in Fällen, in denen das Ausgangsverfahren nach Erhebung der Verzögerungsrüge schon vor Ablauf der Sechsmonatsfrist abgeschlossen wurde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015-5 C 5.14 D —, juris Rn. 18 ff.; BGH, Urteile vom
21. Mai 2014— III ZR 355/13—, NJW 2014, 2443 ff. =juris Rn. 17, und vom 17. Juli 2014— III ZR 228/13—, NJW 2014, 2588 ff. =juris Rn. 18.

Der Zweck der Verzögerungsrüge im Allgemeinen sowie der Wartefrist in § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG im Besonderen erfordert in diesen Fällen kein Abwarten der Sechsmonatsfrist.

C. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Wiedergutmachung wegen ihres immateriellen Nachteils durch die Dauer des Zulassungsverfahrens 3 A 2224/09 bis zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge (1.) noch kann sie Wiedergutmachung für die Zeit ab der Verzögerungsrüge bis zum Verfahrensabschluss verlangen (II.).

Der geltend gemachte Anspruch kann nur aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG folgen. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.

1. Für die Zeit bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. August 2013 ist ein Anspruch auf Wiedergutmachung für die unangemessene Verfahrensdauer ausgeschlossen. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG (1 .), aber aus Art. 23 Satz 2 und Satz 3 ÜGRG (2.). Für diesen Zeitraum kann die Klägerin auch nicht gemäß § 198 Abs. 4 GVG die Feststellung verlangen, dass die Verfahrensdauer im Zulassungsverfahren unangemessen lang war (3.)

1. Ein möglicher Anspruch der Klägerin auf Wiedergutmachung in Bezug auf eine unangemessene Verfahrensdauer im Zulassungsverfahren ist nicht bis zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG ausgeschlossen.

Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Gemäß Satz 2 der Vorschrift kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat spätestens am 26. August 2013 Verzögerungsrüge in dem Gesetz entsprechender Weise erhoben. Dies wahrt den Entschädigungsanspruch grundsätzlich vollständig und nicht erst für Zeiträume ab dem Zeitpunkt der Rüge.

§ 198 Abs. 3 GVG normiert zwar das Erfordernis einer Verzögerungsrüge für einen Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer. Entschädigung kann unter Berücksichtigung von § 198 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GVG aber auch für Zeiträume verlangt werden, die vor der Erhebung der Verzögerungsrüge liegen. Entscheidend für dieses Verständnis des insoweit nicht ganz eindeutigen Wortlauts ist der Sinn und Zweck der Norm, wie ihn der Gesetzgeber beabsichtigt und wie es den Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren zu entnehmen ist. Aus einer verspäteten Verzögerungsrüge wollte der Gesetzgeber nicht einen Entschädigungsausschluss für die Zeit vor der Verzögerungsrüge ableiten. Ein später Zeitpunkt der Verzögerungsrüge kann sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Entscheidung des Entschädigungsgerichts bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer oder bei der Frage, ob Wiedergutmachung auf andere Weise durch Feststellung der Überlänge gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreicht, niederschlagen. Entscheidend für den Gesetzgeber war, dass „die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden“ solle.

Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrs. 17/3802, Zu § 198 Absatz 3 Satz 2, S. 21; BGH, Urteil vom 10. April 2014-111 ZR 335/13-, NJW 2014, 1967 ff. = juris Rn. 31; SteinbeißWinkelmann/Ott, a. a. 0., § 198 Rn. 194 ff. m. w. N.; Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 Rn. 135 ff.; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 123.

2. Ein Anspruch auf Wiedergutmachung für eine unangemessene Verfahrensdauer im Zulassungsverfahren ist jedoch für die Zeit bis zum 26. August 2013 gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 1. V. m. Art, 23 Satz 2 und Satz 3 ÜGRG ausgeschlossen. Die Übergangsvorschrift ist hier anwendbar, weil das Verfahren OVG NRW 3 A 2224/09 schon beim Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 verzögert war (a.). Die Übergangsvorschrift in Art. 23 Satz 3 ÜGRG schließt bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen den Entschädigungsanspruch nicht nur für Zeiträume bis zum Inkrafttreten des ÜGRG am 3. Dezember 2011, sondern bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge aus (b.). Die Verzögerungsrüge hat die Klägerin erst am 26. August 2013 erhoben; die telefonische Kontaktaufnahme ihres Bevollmächtigten mit dem Gericht im Dezember 2012 reicht hierfür nicht aus (c.). a. Die Dauer des Verwaltungsprozesses der Klägerin, insbesondere des Zulassungsverfahrens (aa.), war am 3. Dezember 2011 bereits unangemessen lang i. S. v. § 198 Abs. 1 GVG (bb.), weshalb Art. 23 Satz 2 und Satz 3 ÜGRG anwendbar sind.

aa. Die Dauer des Gerichtsverfahrens, welches die Klägerin hier zur Überprüfung des Gerichts stellt, erstreckte sich von der Klageerhebung am 9. Oktober 2008 beim Verwaltungsgericht bis zur Übermittlung des Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 27. November 2013 – 3 A 2224/09-, mit dem die Zulassung der Berufung abgelehnt worden ist, am 29. November 2013. Es dauerte damit fünf Jahre und etwas mehr als einen Monat, also gut 61 Monate.

Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren, auch in mehreren Instanzen, vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft, nicht aber das dem Verwaltungsprozess vorangegangene behördliche Vorverfahren.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D-, BVerwG 147,146 ff. = juris Rn. 16 ff., -5 C 27.12 D -‚ BayVBI. 2014,149 ff. = juris Rn. 10 ff.; BFH, Urteil vom 19. März 2014 -XK3/13-, BFH/NV2014, 1053 ff. =juris Rn. 28 m. w. N.; BSG, Urteil vom 3. September 2014 -B10 OG 12/13 R -‚ juris Rn. 27.

Dem steht nicht die Beschränkung des Begehrens der Klägerin auf die aus ihrer Sicht unangemessene Dauer des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht entgegen. Diese prozessuale Beschränkung in Bezug auf den teilbaren Streitgegenstand kann den materiell-rechtlichen Bezugsrahmen nicht beeinflussen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D -, BVerwGE 147,146 ff. = juris Rn. 17f.

Das gleichwohl primär zu betrachtende Verfahren II. Instanz dauerte von der Stellung des Zulassungsantrags am 21. September 2009 bis zur Übermittlung des die Zulassung ablehnenden Beschlusses am 29. November 2013, also etwa vier Jahre und zwei Monate (50 Monate). Die Gesamtverfahrensdauer bleibt insoweit von Bedeutung, als eventuelle Verzögerungen beim Oberverwaltungsgericht durch eine besonders schnelle Sachbehandlung beim Verwaltungsgericht ausgeglichen werden können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D -, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn.44.

bb. Die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht von 50 Monaten war im Umfang von etwa drei Jahren unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Das Verfahren war beim Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 verzögert i. S. v. § 198 Abs. 1 GVG.

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt.

Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrs. 17/3802, S. 18. Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe, vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D -‚ BVerwGE 147,146 ff. = juris Rn. 27 – 44, und -5 C 27.12 D -‚ juris Rn. 19 – 35; vgl. auch Urteil des Senats vom heutigen Tage -13 D 12/15 – (zur Veröffentlichung vorgesehen),

war die Verfahrensdauer hier unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Eine an den Merkmalen des § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles – insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens, seiner Bedeutung für die Klägerin sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten und der Verfahrensführung des Gerichts – ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, jedenfalls am 3. Dezember 2011 verletzt war.

Die beamtenrechtliche Streitigkeit, die die finanziellen Folgen eines Sachverhalts im Bereich der Teilzeitbewilligung („Altersteilzeit im Sabbatjahr-Modell“) gemäß § 78 b Abs. 4 LBG betrifft, bewegt sich vom Schwierigkeitsgrad her innerhalb des öffentlichen Dienstrechts im durchschnittlichen Bereich.

Die vorgezogene Zurruhesetzung gemäß § 12 des Gesetzes über das Personaleinsatzmanagement NRW (PEMG NRW) betraf zwar eine neue Fallkonstellation, warf aber keine grundsätzlich neuen Fragen auf, sondern ließ sich über die vorhandenen Maßstäbe lösen.

Ferner bestanden in tatsächlicher Hinsicht weder Schwierigkeiten noch Ermittlungsbedarf.

Die finanzielle Bedeutung des Rechtsstreits ist bei dem auf Zahlung von ca. 7.500 Euro gerichteten Begehren für die Klägerin als Steueroberinspektorin (Besoldungsgruppe A 10 Bundesbesoldungsordnung) zwar nicht als gering einzustufen. Eine besondere finanzielle Notlage oder hierdurch verursachte Engpasssituation ist aber nicht erkennbar. Die Klägerin hat ab der vorgezogenen Zurruhesetzung Versorgungsbezüge erhalten.

Die Klägerin hat im Zulassungsverfahren vor dem erkennenden Gericht die Verfahrensdauer ferner nicht nachteilig beeinflusst. Nach der fristgebundenen Begründung des Zulassungsantrags hat ihr Prozessbevollmächtigter im Dezember 2012 mit einer telefonischen Sachstandsanfrage um baldige Entscheidung gebeten und im August 2013 eine Verzögerungsrüge erhoben. Der vom Beklagten für die Erwiderung auf den Zulassungsantrag benötigte Zeitraum war zwar länger als wünschenswert. Jedoch ist im Hinblick auf die Verfahrensführung durch den zuständigen Senat nicht zu erkennen, dass diese Fristverlängerung entscheidungserheblich gewesen wäre. [*Textlücke in der Urteilsbegründung, sinngemäße Ergänzung nach telefonischer Rücksprache mit dem Senat].

Aus der Verfahrensführung des Gerichts ergibt sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte eine unangemessene Verfahrensdauer des Zulassungsverfahrens 3 A 2224/09 im hier maßgeblichen Zeitpunkt, dem 3. Dezember 2011.

Das Gericht hat nach dem Eingang der Erwiderung des LBV Ende Februar 2010 das Zulassungsverfahren nicht erkennbar gefördert oder bearbeitet, bis es mit dem Beschluss über die Ablehnung der Zulassung der Berufung vom 27. November 2013 zum unanfechtbaren Abschluss kam. Abgesehen von der inhaltlichen Bearbeitung des Falles nach Aktenlage sowie der Vorbereitung und Abfassung der Entscheidung waren auch keine Bearbeitungs- oder Förderungsschritte erforderlich. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Vorgehensweise und die ihr zu Grunde liegende Geschäftslage des Senats auf außergewöhnliche und unvorhersehbare Umstände zurückzuführen ist. Soweit strukturelle Umstände innerhalb der Gerichtsbarkeit der Grund für die lange Verfahrenslaufzeit sind, ist der Beklagte hierfür im Bereich der §§ 198 ff. GVG verantwortlich.

Geht man nach dem tatsächlichen Verfahrensverlauf davon aus, dass das Zulassungsverfahren 3 A 2224/09 mit Vorliegen der Erwiderung des Ende Februar 2010 entscheidungsreif war, so verstrich von diesem Zeitpunkt bis zum hier maßgeblichen 3. Dezember 2011 ein Zeitraum von gut 21 Monaten.

Dieser Zeitraum ist auch unter Berücksichtigung einer großzügigen Bearbeitungs- und Bedenkzeit,

vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 – 5 C23.12D -, BVerwGE 147,146 ff., und-5C 27.12 D -‚ juris, vom 27. Februar 2014-5 C 1/13 D -‚ NVwZ 2014,1523 ff., und vom 26. Februar 2015-5 C 5/14 D -‚ juris,

angesichts der oben dargestellten Einzelfallumstände unangemessen lang.

b. Die damit anwendbare Übergangsvorschrift schließt bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen den Entschädigungsanspruch nicht nur für Zeiträume bis zum Inkrafttreten des ÜGRG am 3. Dezember 2011, sondern bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge aus.

Die Übergangsregelung in Art. 23 ÜGRG – soweit hier relevant – ordnet an:

Dieses Gesetz gilt auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann (Satz 1). § 198 Abs. 3 GVG gilt für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜGRG schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Satz 2). In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes auch für den vorausgehenden Zeitraum (Satz 3).

Diese Regelung bedeutet für am 3. Dezember 2011 anhängige Gerichtsverfahren, die zu diesem Zeitpunkt bereits in für § 198 GVG erheblicher Weise (also unangemessen) verzögert sind, zunächst, dass Entschädigung für die von der Übergangsvorschrift erfassten Verzögerungszeiträume ausgeschlossen ist, wenn die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich erhoben wird. Als unverzüglich ist es anzusehen, wenn die Rüge spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des ÜGRG – also bis zum 3. März 2012 – erfolgt ist.

Vgl. BSG, Urteile vom 5. Mai 2015 – B 10 OG 8/14 R -‚ Rn. 21, vom 3. September 2014 – B 10 OG 2/14 R -‚ juris Rn. 25 ff., und vom 27. Juni 2013 – B 10 UG 9/13 B -‚ juris; BFH, Urteile vom 20. August 2014 – X K9/13 -, BFHE 247,1ff. = juris Rn. 11 f., und vom 7. November 2013 – X K 13/12—, juris Rn. 31 ff., 39 ff.; BGH, Urteile vom 10. April 2014-111 ZR 335/13 -, juris Rn. 25, und vom 17. Juli 2014 – III ZR 228/13 -, juris Rn. 22.

Damit wird das Merkmal „unverzüglich“ nicht zu streng ausgelegt, was in Bezug auf den Zweck des Gesetzes geboten ist, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nach effektivem Rechtsschutz gerecht wird. Es muss ausreichend Zeit eingeräumt werden, um das Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen über die Entschädigung für überlange Verfahrensdauer zur Kenntnis zu nehmen und eine wohl überlegte Entscheidung über von der Übergangsregelung in Art. 23 ÜGRG erfasste abgeschlossene oder bereits anhängige Verfahren – insbesondere für nicht anwaltlich vertretene Kläger – zu treffen.

Die Dauer dieser Frist entspricht der in § 97e Satz 2, Halbs. 2 BVerfGG genannten, die unmittelbar nur für Verzögerungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht in bei Inkrafttreten des ÜGRG bereits abgeschlossenen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gilt. Eine Heranziehung dieser für einen Übergangsfall vom Gesetzgeber selbst für angemessen erachteten Frist für die Auslegung des Merkmals „unverzüglich“ in Art. 23 Satz 2 ÜGRG erscheint sachgerecht.

Im Zeitraum bis zum 3. März 2012 hat die Klägerin keine Verzögerungsrüge erhoben. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des Art. 23 Satz 2 ÜGRG oder ein ähnlicher Rechtsbehelf ist ausgeschlossen, weil es sich um eine materielle Anspruchsvoraussetzung handelt, die bei Nichterfüllung zu einer materiellen Präklusion des Anspruchs führt.

Vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 – B 10 ÜG 8/14 R -‚ Rn. 22; BFH, Urteil vom 7. November 2013 -x K 13/12-, BFHE 243,126 ff. =juris Rn. 24.

Da die Klägerin eine Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben hat, ist eine Entschädigung nicht nur für Zeiträume bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern für Zeiträume bis zur tatsächlichen Erhebung der Verzögerungsrüge ausgeschlossen.

Nach der Rechtsprechung von Bundesfinanzhof, Bundessozialgericht und Bundesgerichtshof sind die Ansprüche auf Entschädigung im Fall von nicht unverzüglich erhobener Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten des Gesetzes in von Art. 23 Satz 2 und Satz 3 ÜGRG erfassten Übergangsfällen bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Erhebung der Verzögerungsrüge materiell präkludiert, auch wenn diese erst viel später erfolgt.

Vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 – B 10 ÜG 8/14 R -‚ Rn. 23 ff.- BGH, Urteile vom 10. April 2014 – III ZR 335/13 -‚ juris Rn. 27 ff., BFH, Urteile vom 20. August 2014 – X K 9/13 -‚ BFHE 247, 1 ff. = juris Rn. 24, und -X K 12/12 -, BFH/NV 2015, 208 = juris Rn. 15; anders ohne Begründung Nds. OVG, Urteil vom 4. September 201421 F 1/13 -, DVBI. 2014, 1477 ff. =juris Rn. 34

Hierfür spricht bereits die Bezugnahme des Art. 23 Satz 3 ÜGRG auf Art. 23 Satz 2 ÜGRG durch die Worte „in diesem Fall“, so dass mit der Wendung „auch für den vorausgehenden Zeitraum“ nur derjenige vor Erhebung der Verzögerungsrüge gemeint sein kann. Weiter spricht hierfür die Gesetzgebungsgeschichte, die erkennen lässt, dass die Übergangsvorschrift inhaltlich seit dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 nicht mehr verändert worden ist. Dies ist deshalb aussagekräftig, weil der Gesetzgeber das allgemeine Konzept zur Verzögerungsrüge in § 198 Abs. 3 GVG nachfolgend noch insofern geändert hatte, als vor der Verzögerungsrüge liegende Zeiträume nicht mehr ausgeschlossen sein sollten, damit die Geduld der Beteiligten nicht „bestraft“ wird. Schließlich ist eine Übertragung der grundsätzlichen Unschädlichkeit einer verspätet erhobenen Verzögerungsrüge im Falle des 198 Abs. 3 Satz 2 GVG auf den Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nicht angezeigt, da die Normen verschiedene Ziele verfolgen. Während Erstere den frühesten Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge festlegt, bestimmt Letztere mit der Pflicht zur unverzüglichen Rüge den spätestmöglichen Zeitpunkt einer Verzögerungsrüge.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung an.

c. Eine wirksame, in Bezug auf Art. 23 Satz 3 UGRG erhebliche Verzögerungsrüge der Klägerin ist erst am 26. August 2013 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Die telefonische Kontaktaufnahme des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Dezember 2012 ist nicht als Verzögerungsrüge im Sinne von § 198 Abs. 3 GVG zu werten.

Die gesetzlichen Vorschriften enthalten Vorgaben zum Inhalt der Verzögerungsrüge in § 198 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 GVG. Gemäß Satz 1 liegt eine Verzögerungsrüge eines Verfahrensbeteiligten vor, wenn dieser bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat. Nach Satz 3 der Vorschrift muss die Rüge auf für die Verfahrensförderung erhebliche Umstände hinweisen, wenn diese noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind. Vorschriften zur Form der Rüge finden sich nicht. Deshalb ist ihre Vornahme, wie grundsätzlich bei jeder Prozesshandlung, formfrei. Sie kann mündlich, schriftlich oder zur Niederschrift erhoben werden. Im Anwaltsprozess muss sie durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt erhoben werden, weil sie dem Anwaltszwang unterfällt.

Vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a. a. 0., § 198 Rn. 213 f.

Inhaltlich sind die gesetzlichen Anforderungen niedrig gefasst und orientieren sich daran, dass die Rüge keinen eigenständigen Rechtsbehelf darstellt. Sie muss daher grundsätzlich lediglich zum Ausdruck bringen, dass der Betroffene mit der Verfahrensdauer nicht einverstanden ist. Weitergehende besondere Anforderungen an den Inhalt der Verzögerungsrüge bestehen nicht. Die Bezeichnung als Verzögerungsrüge ist nicht vorgeschrieben. Wie bei anderen Rechtsbehelfen kommt es entsprechend dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes auf den erkennbaren Sinn und Zweck des Begehrens an, das durch Auslegung zu ermitteln ist (§ 133 BGB). An das Vorbringen eines Rechtsanwalts ist allerdings in der Regel ein strengerer Maßstab anzulegen. Bei anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen kann die Rüge auch in Form einer Bitte um Beschleunigung gekleidet sein, wobei andererseits nicht schon jegliche Bezugnahme auf die Verfahrensdauer oder jede Sachstandsanfrage als Rüge angesehen werden kann.

Vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a. a. 0., § 198 Rn. 208 f.; BFH, Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 -, BFHE 243,126 ff. = juris Rn. 27 ff.

Die telefonische Kontaktaufnahme des Rechtsanwalts am 7. Dezember 2012 mit der Serviceeinheit des 3. Senats ist nicht als Verzögerungsrüge auszulegen. Diese Kontaktaufnahme stellt inhaltlich nach den in Bezug auf Rechtsanwälte strengeren Maßstäben keine Verzögerungsrüge dar. Es ist bei wertender Betrachtung lediglich eine Sachstandsanfrage mit einer Bitte um Beschleunigung aus Anlass des bevorstehenden Ruhestandes des Bevollmächtigten. Dieser „rügt“ nicht die Verfahrensdauer, weil er wegen des anstehenden Ruhestandes unabhängig von der Verfahrensdauer um eine Förderung des Verfahrens bittet, ohne die Verfahrensdauer bei sachgerechter Auslegung als unangemessen lang zu kritisieren.

3. In Bezug auf den Zeitraum der Verzögerung bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 26. August 2013 hat die Klägerin ferner keinen Anspruch auf Wiedergutmachung auf andere Weise in Gestalt der Feststellung, dass die Verfahrensdauer im Zulassungsverfahren 3 A 2224/09 unangemessen war.

Gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Diese Feststellung setzt gemäß Satz 2 der Vorschrift keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden. Der Gesetzgeber hat diese Feststellung insbesondere für Fälle vorgesehen, in denen eine Entschädigung nicht zugesprochen werden kann, weil es an den Erfordernissen aus § 198 Abs. 3 GVG in Bezug auf die Verzögerungsrüge fehlt.

Aus dem vorstehend erläuterten Ausschluss des Anspruchs auf Entschädigung wegen verspäteter Verzögerungsrüge gemäß Art. 23 Satz 2 und Satz 3 ÜGRG folgt aber, dass auch eine Wiedergutmachung auf andere Weise – insbesondere durch Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer -ausgeschlossen ist.

Nach der Rechtsprechung von Bundesfinanzhof, Bundessozialgericht und Bundesgerichtshof ist bei einer Präklusion des Entschädigungsanspruchs für den Zeitraum bis zur tatsächlichen Erhebung der Verzögerungsrüge in Übergangsfällen gemäß Art. 23 Satz 2 und Satz 3 ÜGRG auch ein Anspruch auf Feststellung unangemessener Verfahrensdauer ausgeschlossen.

Vgl. BSG, Urteile vom 5. Mai 2015 – B 10 OG 8/14 R -‚ Rn. 27ff.; BGH, Urteil vom 10. April 2014 – III ZR 335/13 -, juris Rn. 35, BFH, seit den Urteilen vom 20. August 2014 – X K 9/13 -‚ BFHE 247, 1 ff. = juris Rn. 24 f, und – X K 12112-, BFHINV 2015, 208 = juris Rn. 15.

Der Senat schließt sich auch insofern aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Rechtsauffassung der genannten obersten Bundesgerichte an.

Für diese Auslegung sprechen Wortlaut, Systematik und Zweck der Übergangsvorschrift. Die allgemein geltende Regelung, wonach trotz Fehlens einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 GVG eine Wiedergutmachung auf andere Weise in Gestalt der Feststellung unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 GVG erfolgen kann, erfährt durch Art. 23 Satz 3 ÜGRG eine Ausnahme. Art. 23 ÜGRG insgesamt ist von seinem Anwendungsbereich her nicht auf die Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Abs. 3 GVG begrenzt. Dies gilt nur für Satz 2 der Vorschrift. Zwar nimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG auf den Satz 2 Bezug. Beide Sätze unterscheiden sich jedoch hinsichtlich Regelungsinhalt und Rechtsfolgenausspruch. Während Art. 23 Satz 2 ÜGRG eine Regelung hinsichtlich der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG beinhaltet, ordnet Art. 23 Satz 3 ÜGRG eine Wahrung des „Anspruch nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes“ an, und zwar ohne Differenzierung nach den einzelnen Absätzen der Norm. Damit erfasst Art. 23 Satz 3 ÜGRG nicht nur die Entschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG, inbegriffen die Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 GVG. Dieses Verständnis fügt sich auch in das allgemeine Verhältnis von Entschädigung und Feststellung unangemessener Verfahrensdauer ein. Die Feststellung unangemessener Verfahrensdauer stellt gewissermaßen eine „kleine Entschädigung“ für Fälle dar, in denen wegen Fehlens einer Verzögerungsrüge oder anderer Voraussetzungen eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer ausgeschlossen ist. Insofern erscheint es sachgerecht, wenn die Präklusion der Entschädigung auch die Feststellung ausschließt.

II. Auch für den drei Monate betragenden Zeitraum von der Erhebung der Verzögerungsrüge am 26. August 2013 bis zum Verfahrensabschluss durch den Beschluss vom 27. November 2013 hat die Klägern weder einen Anspruch auf Entschädigung noch auf Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer. Dieser Zeitraum ist nicht schon deshalb als Verzögerung zu werten, weil das Verfahren zu diesem Zeitpunkt bereits verzögert war und die Herbeiführung einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung bereits von der oben berücksichtigten Bearbeitungs- und Bedenkzeit erfasst war.

Die durch die Übergangsvorschrift in Art. 23 Satz 3 ÜGRG bewirkte materielle Präklusion der Ansprüche auf Wiedergutmachung bis zum Zeitpunkt einer verspätet erhobenen Verzögerungsrüge schließt es auch aus, die Verfahrensdauer vor der Erhebung der Verzögerungsrüge in einem solchen Übergangsfall bei der Bewertung zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer nach der Verzögerungsrüge unangemessen war.

Vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2015— B 10 OG 8/14 R -‚ juris Rn. 34; BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 111 ZR 335/13—, NJW2O14, 1967 ff. =juris Rn. 35.

Isoliert betrachtet ist der Zeitraum von drei Monaten für die Vorbereitung und Abfassung des Beschlusses vom 27. November 2013 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Ausgangsverfahren nicht unangemessen lang.

D. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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