Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigt einstweilige Verfügung, Widerruf der Freistellung eines Personalrats rechtswidrig, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 10.03.2015, Az.40 L 2451/14.PVL

BESCHLUSS

In der Landespersonalvertretungssache
w e g e n Rücknahme Freistellungsvorschlag
hier: Widerspruch gegen einstweilige Verfügung

Antragsteller: A.
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Mozartstraße 21, 40479 Düsseldorf, Gz.: 127/14-1/nw/D5/592-1 4,

Beteiligte:
1. der Personalrat der Stadt,
2. der Oberbürgermeister der Stadt
Prozessbevollmächtigte zu 1.: Welkoborsky & Partner, Sozietät von Fachanwälten für Arbeitsrecht, Alleestraße 80, 44793 Bochum

hat die 2. Fachkammer nach dem Landespersonalvertretungsgesetz auf Grund der Anhörung vom 10. März 2015 beschlossen:

Die einstweilige Verfügung vom 17. Dezember 2014 wird bestätigt.

Gründe

Der Beschluss beruht auf §§ 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 925, 926, 936 ZPO, die über § 85 Abs. 2 ArbGG und § 79 Abs. 2 und 3 LPVG NRW anwendbar sind.

Der nach § 924 ZPO analog zulässige Widerspruch des Beteiligten zu 1) gegen die einstweilige Verfügung vom 17. Dezember 2014 bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung liegen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beteiligten zu 1) in seiner Widerspruchsbegründung unverändert vor. Insofern kann das Gericht auf die Gründe in dem Beschluss vom 17. Dezember 2014 verweisen. Insbesondere ist hinsichtlich des Verfügungsgrundes daran zu erinnern, dass in der nordrhein-westfälischen Rechtsprechung anerkannt ist, dass nur solche Beschäftigten einer Gruppe zur Freistellung in Betracht kommen, die sich dazu bereit erklären.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2001 – 1 B 1591/00. PVL, PersR 2001, 470.

Die Einlassungen des Personalratsvorsitzenden (Beteiligter zu 1) in der mündlichen Anhörung haben auf das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung keinen Einfluss. Der Vorsitzende des Beteiligten zu 1) hat in der mündlichen Anhörung in erster Linie betont, der Antragsteller habe ihn bei der Löschungsanweisung an die IT-Abteilung unzulässig übergangen. Er sei für den Personalrat und dessen Einrichtungen verantwortlich. Wenn der Antragsteller ihn vorher gefragt hätte, dann hätte er der Löschung sicher zugestimmt. Er sei aber nicht gefragt worden.

Hierin kann die Fachkammer keinen erheblichen, sondern allenfalls einen minderen Verstoß erblicken. Selbst wenn man den Verstoß als gegeben unterstellt, liegt darin jedenfalls kein stichhaltiger Grund, von der gesetzlich vorgesehenen Freistellungsregelung ausnahmsweise Abstand zu nehmen. Denn die Personalratsarbeit ist durch die Löschung/Vernichtung der Unterlagen zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010 nicht einmal im Ansatz beeinträchtigt worden. Der Personalrat und damit auch dessen Vorsitzender durften überhaupt keine Kenntnis von den Wahlunterlagen der Schwerbehindertenvertretung haben. Allein der Umstand, dass die faktische Einsichtsmöglichkeit wegen der Nutzung der Personalratsressourcen durch den Wahlvorstand der Schwerbehindertenvertretung bestand, ändert an der fehlenden Berechtigung nichts. Der Personalrat und sein Vorsitzender durften keine Einsicht in die Unterlagen nehmen, solange sie digital und physisch vorhanden waren, und nach der Löschung/Vernichtung können sie eine solche Einsicht auch nicht mehr nehmen. Der Personalrat konnte vor und nach der Löschung/Vernichtung seinen Aufgaben gleichermaßen effektiv nachkommen.

Im Übrigen hatte die Vorsitzende des Wahlvorstands zur Schwerbehindertenvertretung nach Aktenlage den Antragsteller um die Löschung/Vernichtung gebeten. Bislang ist nicht ersichtlich, warum der (ehemaligen) Vorsitzenden des Wahlvorstands – aus der insofern maßgeblichen Sicht des Antragstellers – auch nach Abschluss der Wahl solche nachwirkenden Befugnisse offensichtlich nicht zugestanden haben sollten.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass es dem Vorsitzenden des Beteiligten zu 1) vor allem um zweierlei ging: Erstens um die – sachunangemessen ehrpusselig wirkende – Wahrung seiner formalen Position als Vorsitzender des Personalrats und zweitens um die Suche nach einem Anlass, den Einfluss eines gewählten, aber missliebigen Mitglieds einer konkurrierenden Liste zu minimieren, mag der Anlass auch vordergründig sein.

Mit Blick darauf bekräftigt das Gericht seinen bereits mündlich erteilten Hinweis, dass der Beteiligte zu 1) das von ihm gegen den Antragsteller betriebene Ausschlussverfahren – unabhängig von den Erfolgsaussichten – allein unter zeitlichen Gesichtspunkten betrachten sollte. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Ausschließung vor der Neuwahl des Personalrats im Frühjahr des Jahres 2016 ist wenig wahrscheinlich, weil im personal-vertretungsrechtlichen Hauptsacheverfahren praktisch ohne Kostenrisiko drei Instanzen angerufen werden können. Mit der Neuwahl 2016 und der Konstituierung eines neuen Personalrats (selbst wenn er personengleich sein sollte) dürfte sich das Verfahren aber erledigen.

Ergänzend macht die Fachkammer weiterhin darauf aufmerksam, dass die vom Beteiligten zu 1) angeführten Entscheidungen zum bayerischen Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen weder Bindungswirkung entfalten können noch die dortige tatsächliche und/oder rechtliche Ausgangslage mit der hiesigen vergleichbar war.

Soweit der Beteiligte zu 1) auf den Beschluss des VG Ansbach vom 10. April 2012 – An. 8 P 12.000345, juris, verweist, ist der dort entschiedene Fall mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Dort ging es um die digitale Löschung und physische Vernichtung umfangreicher Aktenbestände des Personalrats selbst, nicht um die Löschung von Daten die zwar in einem Unterverzeichnis des Hauptverzeichnisses gespeichert waren, das dem Personalrat zugewiesen war, die aber inhaltlich nichts mit der Personalratstätigkeit, sondern nur mit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung zu tun hatten. Überdies ist vorliegend unklar, ob der Antragsteller die Vernichtung auch des körperlichen Aktenordners veranlasst oder vorgenommen hat.

Soweit der Beteiligte zu 1) auf den Beschluss des Bayerischen VGH vom 31. Juli 1996 – 17 P 96.407, beck-online RS 1996, 17057, verweist, gibt das ebenfalls keine Veranlassung, die einstweilige Verfügung abzuändern. Zum einen ist der dort entschiedene Sachverhalt außergewöhnlich und nach Aktenlage mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Zum anderen waren die rechtlichen Voraussetzungen für einen Widerruf des Freistellungsvorschlags nach dem im Jahr 1996 geltenden bayerischen Personalvertretungsrecht andere als sie es nach dem aktuellen LPVG NRW sind. In Bayern genügte nach der Rspr. des Bayerischen VGH jeder sachlicher Grund, um die Freistellung zu widerrufen. Insofern lehnte sich der Bayerische VGH an die niedrigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen einer Konflikt-Umsetzung/Versetzung an, bei der das Verschulden des Umzusetzenden/zu Versetzenden keine Rolle spielt. Hiervon weicht die Rechtslage nach dem LPVG NRW dergestalt ab, dass nicht nur sachliche, sondern zumindest stichhaltige Gründe vorliegen müssen. Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung des Bayerischen VGH, dass Verschuldensgesichtspunkte im Personalvertretungsrecht keine Rolle spielen. Andernfalls wäre es der Personalratsmehrheit ohne Weiteres möglich, ein missliebiges (missliebig gewordenes) Personalratsmitglied aus der täglichen Arbeit zu verdrängen, indem eine Konfliktsituation herbeigeführt wird. Eine solche ist in einem Personalrat gleichsam institutionell angelegt. Denn der Personalrat ist durch konkurrierende gewerkschaftliche Zugehörigkeiten seiner Mitglieder geprägt, die idealtypisch – die vorliegende Sache bestätigt das anschaulich – beständig miteinander im Wettbewerb um Mitglieder und Wählerstimmen liegen. Insofern unterscheidet er sich von der durch Neutralität und Weisungsgebundenheit gekennzeichneten Tätigkeit der Verwaltung außerhalb des Personalrats.

Eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht veranlasst.