Jetzt aber doch: Entschädigung für nicht beanspruchten Urlaub von Beamten! (Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil v. 05.11.2009, Az. 6 Ca 560/09)

Nachdem das Verwaltungsgericht Koblenz noch im Juli 2009 entschieden hatte, dass nicht beanspruchter Urlaub von Beamten nicht in Form einer Entschädigung auszahlbar ist ( siehe unser Artikel ), hat das Arbeitsgericht Düsseldorf nun in seinem bislang unbekannten Urteil vom 05.11.2009 (Az. 6 Ca 560/09) eine völlig andere Richtung eingeschlagen. Es hat darin hat die Frage, ob Beamte unter den Arbeitnehmerbegriff des Art. 7 RL 2003/88/EG fallen unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH eindeutig bejaht.Der Kläger, ein Dienstordnungsangestellter, für den bekanntermaßen die beamtenrechtlichen Regelungen gelten, war seit Ende Juni 2006 dienstunfähig erkrankt und wurde schließlich mit Verfügung von Ende September 2007 in den Ruhestand versetzt. Im Jahre 2006 hatte der Kläger 19 Tage Erholungsurlaub genommen, im Jahre 2007 überhaupt keinen. Er beantragte mit seiner Klage, die ihm noch zustehenden Urlaubsansprüche abzugelten.

Die Klage hatte zumindest teilweise Erfolg, soweit sie keinen Erfolg hatte, ging es nur um die genaue Höhe des Anspruches. Zum Urlaubsanspruch an sich hat das Arbeitsgericht die folgenden Feststellungen getroffen:

Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers folge unmittelbar aus Art. 7 Abs. 1, 2 RL 2003/88/EG. Auch bei Beamten und somit auch Dienstordnungsangestellten handele es sich um Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie:

„Beamte sind auch Arbeitnehmer im Sinne von Art. 7 RL 2003/88/EG sowie der Begriffsbestimmungen in Art. 2 RL 2003/88/EG. Ausweislich Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Der Arbeitnehmerbegriff dieser Vorschrift ist nicht mit dem deutschen Arbeitnehmerbegriff gleichzusetzen. Aus der Regelung in Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG folgt, dass der gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff der RL 2003/88/EG auch in Art. 7 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Beschäftigte wie Beamte erfasst.

Bisherige Einwände gegen die Gewährung der Urlaubsabgeltung für Beamte hielten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zunächst stünde nicht die strikte Gesetzesbindung für die Besoldung der Beamten entgegen, denn bei der unmittelbar anwendbaren Richtlinie handele es sich um eine gesetzliche Grundlage, die die Abgeltung sogar gebiete. Auch Besonderheiten des Beamtenrechts stünden der Anwendung der Richtlinie nicht entgegen:

„In welchem Umfang im Falle der Krankheit Entgeltersatzleistungen oder wie im Falle der Beamten Beihilfe gewährt wird, kann für die Frage einer Urlaubsabgeltung keine Rolle spielen. Eine solche einschränkende Voraussetzung enthält Art. 7 RL 2003/88/EG nicht und ist mit dieser Vorschrift auch nicht sachlich verknüpft. […]
Allerdings trifft es zu, dass das Beamtenverhältnis anders als das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt in den Ruhestand nicht endet, sondern als Ruhestandsbeamtenverhältnis fortbesteht. Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG knüpft an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. In der Sache ändert dies aber nichts. Der Urlaubsabgeltungsanspruch knüpft daran an, dass es tatsächlich nicht mehr möglich ist, den bezahlten Jahresurlaub aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG zu nehmen. Es soll verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit jeder Genuss dieses Anspruchs, selbst in finanzieller Form versagt ist (EuGH v. 20.01.2009 a.a.O.). So liegt es aber auch bei dem Eintritt in das Ruhestandverhältnis eines Beamten. […] Eine tatsächliche Befreiung von Dienstpflichten und damit Naturalrestitution kann während des Ruhestandsverhältnisses nicht mehr erfolgen, weil das aktive Beamtenverhältnis beendet ist.

 

Gleiches gelte auch beim Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, auch wenn dieser gegebenenfalls nur vorläufigen  Charakter habe. In jedem Falle sei das aktive Dienstverhältnis mit dem Eintritt in den Ruhestand beendet, unabhängig von einer ungewissen Möglichkeit, dass das Dienstverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt wieder begründet werde.

Diese Entscheidung ist die erste ihrer Art in Nordrhein-Westfalen. Auch das Arbeitsgericht Wuppertal hat aber bereits wenige Tage später in einem Beschluss zu erkennen gegeben, in einem Parallelfall ähnlich zu entscheiden. Es ist daher allen betroffenen Beamten zum Antrag, gegebenenfalls zur Klage zu raten, um derartige Ansprüche gegen ihren Dienstherrn durchzusetzen.

Volltext des Urteils:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/arbg_duesseldorf/j2009/6_Ca_5602_09urteil20091105.html

Katharina Voigt
Rechtsanwältin